Suchtfaktor in Kiesgrube
Trialfahrer überwinden beim Rattenfänger Cup Stock und Stein
Brüggen/Hameln (gök). „Wenn ich jetzt in die andere Richtung gelenkt hätte, wären wir definitiv umgekippt“, gesteht Mark Range während der Testfahrt in der Sektion seinem kurz erschrockenen Beifahrer noch im Kippen. Die Steigungen sind unglaublich. Wo sich sonst ein Mountainbikefahrer gerade so runtertraut, fängt die Strecke für einen Trialfahrer mit seinem geländefähigen Jeep gerade erst an. 1984 gründeten mehrere Hamelner in Brüggen den Verein „4×4 Hameln“. Grund für die Stadtflucht war die Möglichkeit, in Brüggen eine Kiesgrube zu pachten. In der ehemaligen Kiesgrube wurde auch mit Bauschutt aufgefüllt, weswegen auf dem Gelände auch viele Hügel vorhanden sind. Ein ideales Gebiet für Trialfahrer, die mit ihren Fahrzeugen starke Steigungen und Schrägen durchfahren, die für normale Fahrzeuge unbezwingbar wären. Dieser Sport vereint Spaß, Technik, Geselligkeit und Natur.
Mark Range aus Bad Salzdetfurth etwa – Sportwart des Vereins – wurde vor knapp zehn Jahren mit dem Virus infiziert. Entsprechende Fahrzeuge haben ihn schon immer begeistert und sein Nachbar brachte ihn dann einfach mal zu dem Brüggener Verein mit, wo er schließlich innerhalb kürzester Zeit dabei und voll infiziert war. Mittlerweile organisiert er als Sportwart den jährlichen Rattenfängercup des Vereins mit und nimmt selber auch an anderen Wettbewerben teil. Beim Rattenfängercup in Brüggen gab es nun den ersten CVT-Lauf (Club-Vergleichs-Trial) und den ersten GTG-Lauf (Geländewagen-Trial-Gemeinschaft). Richtig genießen konnte er aber die eigene Veranstaltung eher nicht. Schon Wochen vorher hat er zusammen mit seinem Organisationsteam alle Hände voll zu tun. Genehmigungen einholen, Getränke organisieren oder Dixie-Klos bestellen. Die Aufgaben sind vielfältig und hängen wie bei anderen Vereinen auch an den Vereinsmitgliedern, welche dann bei der Veranstaltung über zwei Tage voll gefordert sind. „Ohne das Engagement der Leute hier vor Ort wäre das alles nicht möglich. Richtig genießen tut man solche Events nur, wenn man als Gast woanders vor Ort ist. Spaß macht es aber trotzdem“, so Range.
Wie bei anderen Wettbewerben auch sind auf dem Gelände mehrere Wertungssektoren aufgebaut, die von den Teams durchfahren werden müssen. Meistens gibt es neben einem Fahrer einen erfahrenen Beifahrer, der dem Fahrer bei der Einschätzung der Fahrzeugmaße hilft. Denn die Fahrer müssen eng gesteckte Korridore durchfahren, wo Stangen mit Kugeln gesteckt sind. Wenn die Kugel von der Stange fällt, rückwärts gefahren werden muss oder sogar das Fahrzeug stecken bleibt, gibt es Strafpunkte für den Starter, die über die Platzierung entscheiden. Auf eine Zeitbegrenzung während des Rennens verzichten die Verantwortlichen bei den meisten Wettbewerben. Hintergrund ist hier die Sicherheit der Fahrer. „Zeitlicher Druck würde eventuell zu Hektik und Vernachlässigung der Sicherheit führen“, so Range. Mit oder ohne Allrad und Differentialsperre fahren die Fahrer in sehr langsamer Geschwindigkeit durch die Sektoren, wo es auf Genauigkeit und Geschicklichkeit besonders ankommt. Gelernt hat etwa Renge sein fahrerisches Können in den letzten Jahren durch Tipps von Vereinskameraden und durch ausprobieren. „Ich habe mein Auto schon einige Male auf die Seite gelegt. Irgendwann weiß man, wie man lenken muss!“
Das ganze Wochenende steht für die Fahrer auch im Zeichen der Geselligkeit. Partner und Kinder sind in der Regel dabei. Übernachtet wird dabei zumeist im Wohnmobil, dass mit einem Trailer das Geländefahrzeug gezogen hat. Am Abend wird dann in wohliger Atmosphäre zum einen der Tag reflektiert oder über andere Themen in gemütlicher Atmosphäre gesprochen. Die Verbandsmeisterschaft wird an sieben bis acht Wochenenden ausgefahren, wobei jeder Fahrer zwei Streckergebnisse hat und so etwas flexibel ist. In ganz Deutschland gibt es einige Verbände, wobei aber in der näheren Umgebung von Brüggen und Hameln kein weiterer Verein ist. So müssen die Mitglieder für Wettkämpfe in der Regel lange Anfahrten von 200 bis 300 Kilometern in Kauf nehmen. Auf dem eigenen Vereinsgelände treffen sich die Vereinsmitglieder mindestens fünf Mal im Jahr zum üben. Dazu kommen dann noch Veranstaltungen wie Clubabende im Vereinslokal in Barnten, wo auch das ein oder andere Schraubergespräch ansteht.
Bei den Fahrzeugen gibt es verschiedene Klassen. So gibt es Straßenversionen, kleine und große Klassen. Ausgeglichen wird die gefahrene Wertung dann mit einer mathematischen Formel, wodurch Handycaps bei den Fahrzeugen wieder ausgeglichen werden. Mittlerweile hat der Verein rund 50 Mitglieder, wovon noch die Hälft den Sport aktiv betreiben. Die Herkunft der Mitglieder hat sich seit der Gründung von Hameln etwas in Richtung Hannover-Hildesheim verändert. Viele sind aber schon seit Jahrzehnten dabei. Nachwuchs rekrutiert sich oft aus den eigenen Familien, da die Kinder die Wochenenden in der Natur besonders genießen.
Trial fahren ist im Verein schon noch der Schwerpunkt, wobei es auch Quadfahrer oder Landrover-Freunde im Verein gibt, die auch kleinere Veranstaltungen planen. Wer die 30. Auflage des Rattenfänger Cups in Brüggen verpasst hat, kann auch am Tag der offenen Tür am 28. Juni das Gelände in Brüggen besichtigen und auch mal eine Runde in einem Fahrzeug mitdrehen. Sonst treffen sich die Vereinsmitglieder jeden zweiten Donnerstag im Monat zum Clubabend im Vereinslokal ANDY’s Steakhouse & Saloon in Barnten bei Nordstemmen.
Foto1: Während eine Steigung bezwungen wird, muss auch noch die Richtung stimmen, die Stange mit der Kugel kommt hier bedrohlich nah
Foto3: In einem sehr kleinen Radius werden Kurven gefahren
Foto13: Die Sektionsleitung achtet darauf, wieviel Strafpunkte für die Fahrer gezählt werden
Foto15: Normale Fahrzeuge würden den Kurs nie bewältigen können
Foto16: Wenn die Kugel von der Stange fällt, gibt es Strafpunkte
Foto23: Auf das Gelände bringen viele Teilnehmer ihre Kinder mit, welche sich schnell für die Fahrzeuge begeistern
Foto24: Auf dem Gelände sehen die Zuschauer viele verschiedene Fahrzeuge
Foto27: Besonders die Kleinen Teilnehmer haben viel Spaß auf dem Gelände
Foto42: Abends wird am Wohnmobil noch geklönt
Foto43: Das ganze Wochenende über kommen immer wieder Zuschauer zu der Kiesgrube am Oberg bei Brüggen