Der Wilde Kaiser bittet zum grossen Lauf
Läufer aus Osterwald und Alfeld bestreiten schweren 3-Tage-Wettkampf in den Tiroler Alpen
Osterwald/Alfeld (gök). Für ihren diesjährigen Saisonhöhepunkt hatten sich die beiden Langstreckenläufer Dirk Reimann von LAV Alfeld und Eike Dempewolf von den Fastflitzern aus Osterwald etwas ganz besonderes ausgesucht. Die zehnte Jubiläumsauflage der Tour de Tirol, ein anspruchsvolles Drei-Tages-Laufevent mit insgesamt 75 Kilometern und 3850 Höhenmetern bergauf. Ort des Geschehens ist das pittoreske Dorf Söll am Wilden Kaiser, bekannt auch durch die deutsch-österreichische Fernsehserie „Der Bergdoktor“. Über 1000 Teilnehmer aus 31 Nationen waren am Start, unter ihnen die beiden langjährigen Freunde und Laufpartner aus dem Weser-Leinebergland, die gemeinsam die mehrtägigen Strapazen durchstehen und zusammen das Ziel erreichen wollen. Diese Teamarbeit hatte sich für zuvor schon bei einigen anderen alpinen Rennen in der Schweiz bewährt.
Mit dem Startschuss für den so genannten „Söller Zehner“ am Freitagabend nimmt der Wettkampf seinen ersten Auftakt. Bei den abendlichen 10 Kilometern um Söll fallen bereits 255 Höhenmeter an. Dempewolf und Reimann lassen es ruhig angehen und kommen nach knapp 50 Minuten ins Ziel. Es gilt Kräfte zu schonen für den Kaisermarathon am Samstag, der absoluten Königsdisziplin der Tour und größter und schwerster Bergmarathon Österreichs. Mit seinen 42 Kilometern Länge und 2345 zu überwindenden Höhenmetern startet der Kaisermarathon im Söller Dorfzentrum und führt ins Ziel auf die kegelförmige Hohe Salve (1829 m).
Als der Lauf um 8.30 Uhr mit einem Böller gestartet wird, hält sich die berühmte Gebirgsgruppe des Wilden Kaisers noch bedeckt, die steilen Südwände verstecken sich in dichten Wolken. Tour-de-Tirol-Cheforganisator Martin Kaindl gibt den Marathonis noch ein vielsagendes: „Heute wird‘s kein Kindergeburtstag“ mit auf den Weg, dann bewegte sich das Läuferfeld zuerst durch die beschaulichen Wiesenhänge des Sölllandlstales. Ab Kilometer 12 bei Hauningberg änderte sich jedoch das Profil abrupt, es wurde vollends steil, die Wege windeten sich 800 Meter hinauf auf den Hartkaiser. Oben konnten die beiden Extrem-Läufer vereinzelt das Kaisergebirge und die Kitzbüheler Alpen durch die Wolkendecke erkennen. Nun verlief die Strecke entlang einiger Seen in stetigem Auf und Ab über die Hochflächen des bekannten Skigebietes Wilder Kaiser-Brixental zur Tanzbodenalm, wo die Läufer mitten durch eine große bewirtschaftete Hütte sprinteten und von den Gästen angefeuert wurden. Nach einer steilen Bergabpassage vom Zinsberg wurde es besonders knifflig am Ende der Strapazen, wartete doch der berüchtigte Schlussanstieg von Hochsöll-Hexenwasser ins Ziel auf die Hohe Salve. Allein der letzte Kilometer mit über 300 Höhenmetern über die Südflanke des markanten Berges verlangten den Laufbegeisterten die letzten Reserven ab. Dempewolf und Reimann fluchten und motivierten sich gegenseitig bei ihrem beschwerlichen Weg hinauf auf dieser im Winter als schwarze Skiabfahrt genutzten Hangfläche. Endlich war die wolkenverhüllte Gipfelkuppe mit der kleinen Kapelle erreicht und der Kaisermarathon nach fünf Stunden und 52 Minuten geschafft! Im Zielbereich war es windig und kalt, den Läufern wurden Decken gereicht, die ein Auskühlen verhinderten.
Nun war schnelle Regeneration angesagt, gab es als Abschluss der Tour am Sonntag noch einen anspruchsvollen, 23 Kilometer langen Traillauf mit weiteren 1250 Höhenmetern. Die Strecke führt um den wenig erschlossenen Gebirgszug des Pölven herum, eine Notfallausrüstung inklusiv Rettungsdecke war aufgrund der Abgeschiedenheit der Strecke und dem technischen Anspruch Pflicht seitens des Veranstalters. In der Nacht hatte Regen eingesetzt, so dass zu der herausfordernden Topographie noch ein rutschiger Untergrund hinzukam. Hohe Konzentration war angesagt auf den schmalen Bergpfaden, die über Baumwurzeln und Geröll an kleinen Wasserfällen und einer seilgesicherten Felspassage vorbei führten. Ein Höhepunkt war der Durchlauf des sonst gesperrten Steinbruchs oberhalb Bad Häring, in dem große Nutzfahrzeuge den Beginn zum langanhaltenden Aufstieg auf das Juffinger Jöchl markierten. Ein Schild mit der Aufschrift: “Jetzt wird’s steil“ untermauerte die bevorstehende Anstrengung. Oben am Gipfelkreuz angekommen, blieb kaum Zeit zum Durchpusten, sofort windete sich ein extrem abschüssiger Pfad mehrere hundert Höhenmeter zur Siedlung Ried hinunter, von der man endlich die Dorfkirche von Söll erblicken konnte. Nur noch drei Kilometer, dann liefen Dempewolf und Reimann nebeneinander in das von vielen Zuschauern flankierte Ziel und fielen sich in die Arme. Die große Kraftanstrengung der vergangenen Tage über eine Gesamtlaufzeit von neun Stunden und 58 Minuten wird mit dem respektablen 43. und 44. Platz in ihrer Altersklasse und einem großen Apfelstrudel im Ziel belohnt.
Foto: Dirk Reimann und Eike Dempewolf
(Foto-Quelle: sportograf.com)