„Kurort nicht mit Kuhdorf vergleichbar“
Elterninitiative will Änderung der Sozialstaffel bei Kindergartengebühren
Thüste/Salzhemmendorf (gök). Die Stimmung in Thüste war schnell hitzig. Eltern aus allen Kindergärten des Flecken Salzhemmendorf hatten sich im ehemaligen Gemeindehaus in Thüste eingefunden und diskutierten über die verabschiedete Sozialstaffelung bei der Erhöhung der Kindergartengebühren im Flecken Salzhemmendorf, die mit den Stimmen der Mehrheitsgruppe aus Grünen, SPD und FDP zum 1. August im Gemeinderat beschlossen wurde.
In die Höhle des Löwen oder hier die Höhle der Eltern hatten sich mit Manfred Roth (SPD) und Marita Schütte (CDU) auch zwei Ratsmitglieder aus Thüste gewagt, die über Facebook oder ihre Nachbarn von dem Treffen erfahren hatten. Die Eltern bemängelten gegenüber Roth, dass die Entscheidung zu einer Sozialstaffel vorher so überhaupt nicht absehbar war. Dementsprechend unbesorgt hatten die Eltern auch die Fachausschuss- und Gemeinderatssitzung nicht weiter verfolgt. Die Entscheidung zu einer Sozialstaffelung mit Erhöhungen von teilweise über 100 Prozent je nach Einkommensklasse traf die Eltern dann umso überraschender.
Einer Erhöhung der Elternbeiträge standen die 36 anwesenden Eltern in Thüste aber generell nicht negativ gegenüber. Die Mütter und Väter wissen das Angebot in den Kindergärten zu schätzen und können auch die Gehaltserhöhung der Betreuungskräfte nachvollziehen, die sich sonst vielleicht nach anderen Arbeitsplätzen in der Region umgesehen hätten. Viele Eltern stellten vor Ort in Frage, ob sie sich die Betreuung ihrer Kinder in den Kindergärten nun überhaupt noch leisten können. Gerade die zumeist weiblichen Zweitverdiener in den Familien – oft auf 450-Euro-Basis – stellen nun ihre Arbeit in Frage, da sich nach Abzug der erhöhten Gebühren und dem oft notwendigen Unterhalt eines Zweitfahrzeuges in der Familie diese Arbeit kaum noch lohnt. Für Ärger sorgte bei den Eltern auch, dass weder Unterschriftenlisten noch Flyer zu diesem Treffen in den Kindergärten selber verteilt werden durften. „Für jedes Laubfegen wird ein Zettel aufgehängt, aber die wichtigen Sachen werden nicht bekannt gegeben“, ärgerte sich einer der anwesenden Väter. Die Bekanntgabe dieser Versammlung erfolgte über Facebook und über Verteilung von Flyern außerhalb der Kindergärten.
Manfred Roth stellte sich den Fragen der Eltern in der Versammlung, konnte jedoch die Eltern von der Sozialstaffelung augenscheinlich nicht überzeugen. Dem Argument, dass man sich bei der Sozialstaffelung an der Regelung von Bad Pyrmont orientiert hat, entgegnete der anwesende Vater Oliver Reinmöller aus Thüste nur spitz, dass man „einen Kurort nicht mit einem Kuhdorf vergleichen kann“. Aus der Sicht der Eltern ist die ländliche Prägung des Fleckens mit einer Stadt nicht vergleichbar. Die Wege zur Arbeit sind in der Regel weiter und viele müssen pendeln. Dem Einwand, dass die Geringverdiener auch weniger zahlen, entgegneten viele Eltern, dass gerade vom Staat unterstützte Familien diese Kosten sowieso erstattet bekommen.
Die Eltern wollen jetzt aber nicht nur meckern, sondern auch handeln. Bis zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Bildung und Migration wollen die Eltern die ursprünglichen Alternativen zur beschlossenen Sozialstaffel prüfen und der Gemeindeverwaltung und den im Rat vertretenen Fraktionen ein Alternativangebot machen. Im Gespräch stellte Tanja Henschel aus Thüste etwa in Aussicht, dass man mit einer generellen prozentualen Steigerung einverstanden sei und auch eine jährliche Anpassung akzeptieren könnte. Neben mehr Einnahmen würde so auch der höhere Verwaltungsaufwand durch die Einführung der Sozialstaffelung wegfallen. Klar war für die anwesenden Eltern und auch die Ratspolitiker, dass man allein durch die Elternbeiträge die immensen Kosten für die Kinderbetreuung in Höhe von rund zwei Millionen Euro im Jahr nicht aufgefangen kann. Nach Abzug von Elternbeiträgen und Zuschüssen bleibt der Flecken derzeit immer noch auf rund 1,5 Millionen Euro Kosten sitzen. Hier sind zukünftig Bund und Land gefordert, auch wenn die Eltern in Thüste und den anderen Orten im Flecken Salzhemmendorf nicht auf die Einhaltung von Wahlversprechen hoffen und jetzt lieber selber aktiv werden. Manfred Roth stellte zumindest in Aussicht, dass man sich einer neuen Diskussion in der Politik stellen würde. Dies begrüßte auch Marita Schütte, die die schnelle Entscheidung im Gemeinderat ohnehin nicht nachvollziehen konnte und zusammen mit der CDU-Fraktion das bei der Abstimmung auch nicht unterstützt hatte. Unklar war in der Versammlung, warum im Bildungsausschuss kein Elternvertreter der Kindergärten anwesend war. Dies wollen die Eltern auch nochmal zum Thema machen, um die notwendige Transparenz für so folgenschwere Entscheidungen zu verbessern.
Foto: Das ehemalige Gemeindehaus in Thüste war bis auf den letzten Platz besetzt
Foto: Die Eltern hoffen, dass die Sozialstaffelung für die Kindergartengebühren noch einmal überdenkt werden – hier der Kindergarten Stoppelhopser