Altersversorgung emotional diskutiert
IG Metall lädt Bundestagskandidaten zur Diskussion ein
Alfeld/Lauenstein (gök). Die Tische im Naturfreundehaus Lauenstein waren voll besetzt. Das Thema Altersversorgung brennt vor allem den derzeitigen Rentnern unter den Nägeln, was sich teilweise auch bei Zwischenrufen zeigte. Die IG Metall Alfeld-Hameln-Hildesheim hatte zum Thema „Mehr Rente – Mehr Zukunft“ die Politiker Jutta Krellmann (Linke), Michael Vietz (CDU), Klaus-Peter Wennemann (FDP), Johannes Schraps (SPD) und Ute Michel (Grüne) eingeladen, um mit ihnen zu diskutieren. Etwa 80 Personen waren der Einladung der IG Metall gefolgt.
In ihren Einführungsworten sparten Henry Kirch und Mathias Neumann von der IG Metall nicht mit ihrer Kritik am derzeitigen Rentensystem. „Wir müssen vor allem Brücken zwischen Alt und Jung bauen. Andere Länder wie Österreich sind uns beim Rentensystem mittlerweile weit voraus“, so Henry Kirch. Auch Neumann kritisierte, dass die Angst vor der Altersarmut fast überall präsent ist. Etwa eine Million Rentner bekommen laut Neumann jetzt schon ergänzende Leistungen, um ihre Lebensunterhalt zu bestreiten. Zu der Diskussion hatten sie bis auf die AfD alle Parteien eingeladen. Auf eine Einladung für die AfD war bei der Diskussion von der Gewerkschaft verzichtet worden, da diese laut Neumann zu dem Thema sowieso keine Meinung haben. Diese Entscheidung kritisierte Johannes Schraps, der lieber die politische Diskussion bei der Veranstaltung gesucht hätte.
Moderiert wurde die Diskussion durch Joachim Stracke von Radio Aktiv, der mit viel Ruhe durch die Veranstaltung führte und die Politiker ab und an auf Antworten drängte. Zunächst wurde ein Resümee der bestehenden Rente gezogen. Aus Sicht von Michael Vietz ist die Rente bis zumindest 2030 sicher und die Rentenreform von 2007 so auch nötig gewesen. Aus seiner Sicht könnte man über die Rente in Ruhe und sachlich außerhalb des Wahlkampfes sprechen. Mit der Mütterrente hat sich die Situation aus seiner Sicht aber verbessert. Johannes Schraps dagegen war persönlich nicht mit allen Entscheidungen zur Rente in der Vergangenheit einverstanden, jedoch waren im Rahmen der großen Koalition sicherlich Kompromisse eingegangen worden. Er hofft, dass mit dem Rentenkonzept von Andrea Nahles und Martin Schulz nach der Bundestagswahl Bewegung in die Rente kommt. Kritik am derzeitigen Rentensystem kam von den anderen Parteien. Ute Michel etwa würde die Mütterrente lieber aus Steuerbeträgen als aus den Rentenbeiträgen finanziert wissen. Jutta Krellmann sieht vor allem durch Minijobs oder Leiharbeit viel Altersarmut auf die Bevölkerung zukommen. Aus ihrer Sicht sollte die Rente vor allem aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommen und nicht auf weitere Säulen wie die Riester-Rente gesetzt werden. Klaus-Peter Wennemann sieht die Probleme bei der Rente schon seit 40 Jahren. Er warb für die Alternative Bürgerversicherung, die 1997 schon von Kurt Biedenkopf (CDU) thematisiert wurde.
Dem eingebrachten Einwand auf die Besteuerung von Roboterarbeit, Automatisierung oder Digitalisierung entgegnete Wennemann, dass dann der Produktionsstandort Deutschland im Rahmen der Globalisierung gefährdet wäre. Kritik gab es aus den Reihen der Besucher auch von Nina Schaper zum Mindestlohn. Die 43jährige ärgert sich vor allem über die Parteien, die einen niedrigen Mindestlohn favorisieren. Bei rund 9 Euro in der Stunde gibt es nach 45 Arbeitsjahren nur wenige Hundert Euro Rente, wodurch man nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch als Rentner auf Aufstockung angewiesen ist. „Durch Arbeit und Aufstockung kommt man auf Hartz IV-Niveau. Wieso soll man überhaupt noch arbeiten?“ Stephan Hormann, 32jähriger Jugendsekretär in der IG Metall, kritisierte wütend die Arbeitnehmerunfreundliche Gesetzgebung der letzten Jahre. Aus seiner Sicht war für Arbeitnehmer nur das Gesetz über Kurzarbeitergeld oder die Ehe für alle gut. „Rentner und Arbeitnehmer haben einfach keine Lobby. Wie bekommen wir es hin, dass Rentner später ihren Enkeln überhaupt noch ein Eis kaufen können?“
Der Frage nach der Zukunft der Rente standen die Politiker dann unterschiedlich gegenüber. Während Vietz etwa das System bis 2030 als sicher ansieht und nur einzelne Verbesserungen favorisiert, darf es nach Meinung von Krellmann so nicht weitergehen. Aus ihrer Sicht muss die staatliche Rente gestärkt und der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht werden. Auch Wennemann und Michel halten das Umlagesystem langfristig nicht mehr für haltbar. Michel favorisiert die Umverteilung von oben nach unten. Schraps hofft, dass das Rentenkonzept von Kanzlerkandidat Martin Schulz und Andrea Nahles nach einer erfolgreichen Wahl bald eine Umsetzung erfährt. Aus seiner Sicht muss man einfach mehr Menschen in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit bekommen und die Gewinne der Betriebe müssen die Menschen erreichen. „Wir haben als SPD nicht alles richtig gemacht und müssen uns Fehler eingestehen“, zog er ein kritisches Fazit der letzten Jahre.
Nach zweieinhalb Stunden und zahlreichen Standpunkten und Diskussionen war die Veranstaltung schließlich zu ihrem Ende gekommen. Eine Wahlempfehlung gab Mathias Neumann von der IG Metall nicht ab. „Aber die 24 Millionen Rentner in Deutschland sollten ihr Recht nutzen und wählen gehen. Am 24. September ist Bundestagswahl!“
Foto: Etwa 80 Besucher waren der Einladung der IG Metall gefolgt
Foto2: Mathias Neumann kritisierte vor allem die wachsende Altersarmut