„Dorfgefriertruhe“ vor 65 Jahren entstanden

Gefrierhaus vereinfachte das Leben im Külftal

Lübbrechtsen (gök). In den 50er Jahren gab es das in vielen Dörfern. In Zeiten, wo Gefriertruhen oder Gefrierschränke in kaum einem Haushalt vorhanden waren, waren Dorfbewohner sehr dankbar für die Einrichtung von Kühlhäusern. In Lübbrechtsen jährt sich dieses Jahr zum 65. Mal die Gründung des ersten Gefrierhauses in Südniedersachsen, woran sich die ehemalige Bürgermeisterin von Hoyershausen, Ursula Senne, jetzt zurückerinnerte. Ein kleines in Leder eingebundenes Poesiealbum erinnert dabei an die Gründung in Lübbrechtsen am 23. November 1954. 

Die Idee zur Gründung einer Gefrieranlage entstand zu Beginn des Jahres 1954, nachdem die Idee eines „Waschhauses“ vorher verworfen wurde. Zuerst musste sich aber erst der gesamte Rat der Gemeinde für die Sache „erwärmen“. Einer bereits bestehenden Anlage in Holtensen/Wennigsen wollte man schließlich einen Besuch abstatten und die Technik vor Ort inspizieren. Im Juni 1954 startete ein Bus mit 35 Interessierten mit bester Stimmung aus Lübbrechtsen, Rott und Deinsen nach Holtensen. Die Külftalbewohner zeigten sich in Nähe des Deisters von der Technik beeindruckt, aber von der Zuverlässigkeit nicht überzeugt. Die Astra-Anlage in Holtensen hatte so manchen Mangel, weshalb man sich Angebote von verschiedenen Herstellern machen ließ. Vor der Technik musste allerdings erst die Raumfrage gelöst werden. Auf den Bau eines eigenen Hauses mit entsprechender Kühltechnik konnte aber verzichtet werden, da Fritz Pape ein Fach in seiner Scheune zur Verfügung stellte. Nach Vorlage von mehreren Kostenvoranschlägen kamen schließlich die Anlagen von Linde und BBC in die engere Wahl. Nach Besichtigungen von Anlagen mit BBC- und Linde-Technik fiel die Wahl schließlich auf eine Tiefgefrieranlage an die Firma Brown, Boveri und Co (BBC) aus Hannover. Am 19. Juli 1954 wurde der Bauauftrag für 12 900 Mark erteilt und in der Gründungsversammlung am 23. November 1954 eine Interessengemeinschaft gebildet. Dieser gehörten damals Fritz Hahne, Friedrich Habeney, Fritz Pape, August Schaper, Gustav Sürie, Hans Klingeberg, Fritz Steins 4, August Moreau, Heinrich Diederichs, Hans Möhle, Herbert Marahrens, Friedrich Glenewinkel, Fritz Steins 45, Albert Seeger, Gerhard Ziegert, Josef Kwiecien, August Vennekold, Heinrich Steins 8, Fritz Waßmann und die Schule an. Als Vorsitzender wurde Fritz Steins 4 jun. gewählt, wobei der Vorstand von Dorothea Habeney als zweite Vorsitzende, Gustav Sürie und Grete Hahne als Beisitzer sowie Karl Ahrens als Schriftführer vervollständigt wurde. Aufgrund des ungünstigen Wetters wurde die Anlage dann nicht wie geplant am 1. Oktober, sondern erst am 23. November 1954 eingeweiht und in Betrieb genommen. Dadurch war es den Betreiberfamilien möglich, ihre Vorräte einzufrieren und so lange verwertbar zu machen.

Die Gründung der dorfgenossenschaftlichen „Gefriertruhe“ erwies sich schnell als Erfolgsgeschichte. Selbst Einwohner aus Deinsen, Marienhagen, Lütgenholzen oder Duingen nutzten die Anlage zufrieden. Beim zehnjährigen Jubiläum der Anlage zog der Vorstand ein erfolgreiches Fazit der zurückliegenden Gründungsentscheidung. Die Anlage sorgte für ein so positives Echo, dass in den ersten zehn Jahren 1000 Besucher aus 84 Orten das Gefrierhaus besuchten und Lübbrechtsen so eine kleine Berühmtheit erlangte. Dabei nahmen die Besucher zum Teil weite Wege auf sich. So kamen die Besucher sogar aus England oder Süddeutschland in das Külftal gereist. Da die Anlage aufgrund ihres Erfolges schnell voll ausgelastet war, wurde sie bereits nach einem Jahr erweitert und auch die Wände im Vorraum gekachelt, damit die Sauberkeit gewährleistet war. Auch die Technik wurde modernisiert und der bisherige Verdampfer durch modernere Kühltechnik ersetzt. Damit war auch die Sauberhaltung von Reif und Eis nicht mehr so beschwerlich für die Betreiber. Geschrieben wurde zum 10. Geburtstag der Anlage sogar ein kleines Gedicht von Heinrich Diederichs:

„Es sind eine Reihe Jahre her,

kam öfter Fräulein Wegener,

erzählt vom Kochen, Backen Frieren

und sehr viel auch vom Einfrieren,

und wie man all die schönen Sachen

durch einfrieren man kann haltbar machen.

Da fasste man dann den Beschluss,

dass man sich mal was ansehen muss.

Frau Habeney und Herr Direktor Steins,

die waren sich dann auch schnell eins.

Ein Bus, der wurde herbestellt

und losgefahren in die Welt.

Besichtigt wurden dann sofort

Gefrieranlagen hier und dort.

Wie schön auch solche Fahrten sind,

wissen einige wohl noch ganz bestimmt.

Es sind nun heut grad 10 Jahr,

da fand sich eine kleine Schar,

die hat schnellstens dann geschafft

die Kalthaus-Interessentenschaft.

Es ward dann gleich die Frage laut,

wo wird das Ding nun hingebaut?

Gefällig, wie ihr alle wisst,

Fritz Pape stets gewesen ist.

Von seiner Scheune eine Ecke,

gab er freiwillig her zu diesem Zwecke.

Und schon nach gar nicht langer Zeit,

da war es dann auch schon so weit.

Man brachte Steine, Kies und Sand,

geleitet von geschickter Hand

entstand das Kalthaus, wie ihr wisst,

das schönst im Dorfe ist.

Ja, unser Kalthaus, das ist wahr,

das erste in Südniedersachsen war.

Eines Abends gings dann: Prost!

Die Fächer wurden ausgelost.

Ein jeder hatte nun sein Fach.

Viel Schönes wurde reingebracht.

Geschlachtetes von allen Sorten,

Gemüse, Obst auch Käsetorten,

eben alles wurde hineingestellt

was zu Haus nicht lange hält.

So geht das nun schon viele Jahr!

Jeder stets zufrieden war.

Drum eh mein Verslein ist zu End,

ich gern mich an den Vorstand wend.

Herzlich Dank sei Dir gesagt

für Deine Arbeit, Müh und Plag,

und dass Du gar am Jahresschluss

erzielst noch einen Überschuss.

Das ist es grad was uns gefällt!

Ob Fritz wohl jetzt noch ein`n bestellt?

Prost!

Wer es geschrieben, ihr wisst es sicherlich:

Es war der Heinrich Diederichs“

Nachdem sich dann in den Folgejahren der Vorstand bedingt durch Altersgründe und Todesfälle veränderte, konnte die Anlage aufgrund des mangelnden Platzes nicht weiter erweitert werden. So konzentrierten sich die Menschen aus dem Külftal auf die Pflege der Anlage, wobei der Vorstand vor allem mit der Technik sehr zufrieden war. Das Ende der Anlage kam schließlich Mitte der Achtziger Jahre. Die Familie Steins kaufte die Scheune der Familie Pape und aufgrund der geringeren Nachfrage und der mittlerweile höheren Kosten war die Anlage nicht mehr rentabel. „Dazu kam auch noch, dass mittlerweile fast jede Familie über eine Gefriertruhe verfügte und auch aus den anderen Orten kaum noch Nutzer nach Lübbrechtsen kamen“, erinnert sich das Ehepaar Steins zurück. Die Anlage in der Scheune wurde abgebaut und heute zeugen nur noch wenige Umstände von der erfolgreichen Zeit, wo die „Dorfgefriertruhe“ aufgrund von Versammlungen auch zu einer Förderung der Gemeinschaft führte. So sind im Inneren der Scheune noch Reste von der Isolierung zu sehen und auch der eine Eingang zum Kühlbereich ist noch erkennbar, da dort die Klinker im Fachwerk eine leicht andere Farbe haben. Aufgehoben hat die Familie Steins noch die alte Warnglocke der Anlage, mit der Eingeschlossene auf sich aufmerksam hätten machen können oder ein alter Wurstgalgen, womit im Vorraum die Würste nachreifen konnten. Auch ein Schrank mit Kühlfächern ist noch vorhanden, der heute aber als einfaches Regal dient. „Das Kühlhaus war damals schon eine tolle Einrichtung, die auch die dörfliche Gemeinschaft merklich gefördert hat“, erinnert sich Fritz Steins als Enkel des damaligen Gründungsvorsitzenden zurück.

Foto1: Bild von 1954 mit Vorstandsmitgliedern

Foto2: Die Kühltechnik von BBC lief in Lübbrechtsen sehr zuverlässig

Foto3: Bild von 1954 mit Vorstandsmitgliedern

Foto4: Bild von 1954 mit Vorstandsmitgliedern

Foto5: Bild von der Gründungsversammlung am 23.11.1954

Foto6+7: Im linken Teil ist an den Farbunterschieden im Klinkerwerk noch zu sehen, wo einmal eine Tür saß

Foto8: Im Inneren der Scheune sind noch Isolierungsreste von der Anlage an den Wänden zu sehen

Foto9+10: Mit solchen abschließbaren Regalen war das Kühlhaus ausgestattet

Foto11+12: Mit der Warnglocke konnte man auf sich aufmerksam machen, wenn man im Kühlhaus eingeschlossen war

Foto13+14: Am Wurstgalgen wurden Würste im Kühlhaus aufgehängt