Die neue Rolle der Sozialarbeiterin 

Jugendwerkstatt Salzhemmendorf sorgt für Perspektiven bei Jugendlichen und blickt selber ungewiss in die Zukunft

Salzhemmendorf/Oldendorf (gök). Ohne die Jugendwerkstatt in Oldendorf wäre die Gemeinde Salzhemmendorf nach Meinung von Martin Schumacher nicht mehr die Gleiche. Die Einrichtung sorgt seit vielen Jahren dafür, dass Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren auch nach Schwierigkeiten einen guten Start in ihr Berufsleben finden. Martin Schumacher hat die Leitung der Jugendwerkstatt in Oldendorf 2016 übernommen und sich seit seiner Anfangszeit mit viel Einsatz und in intensiver Zusammenarbeit mit dem gesamten Team in die umfangreiche Betreuungsarbeit eingearbeitet. 

Der drohende Brexit sorgt aber dafür, dass es auch bei den Jugendwerkstätten Zukunftssorgen gibt. Die 96 Jugendwerkstätten in Niedersachsen werden neben der Förderung vom JobCenter und anderen Einrichtungen zu einem großen Teil aus dem Europäischen Sozialfond finanziert, wobei die derzeitige Förderperiode noch bis Ende 2020 läuft. Für die Zeit danach ist noch unklar, wieviel Gelder künftig für die dringend benötigte Jugendsozialarbeit, aufgrund des bevorstehenden Austritts von Großbritannien aus der Europäischen Union, überhaupt noch zur Verfügung stehen. „Eine Finanzierungslücke ist daher sehr wahrscheinlich, was alle Jugendwerkstätten in Niedersachsen finanziell zu spüren bekämen. Daher würde ich eine verlässliche Übernahme der Förderung der Jugendwerkstätten in die Landesförderung stark befürworten“, stellt Schumacher klar. Oft bekommt die Jugendwerkstatt in Oldendorf Jugendliche in ihre idyllisch gelegene Einrichtung, die dort ihre letzte Chance einer Unterstützung erhalten. Für die Jugendlichen geht es dabei darum, die Struktur eines Arbeitstages kennenzulernen, wenn nicht vorhanden, den Hauptschulabschluss nachzuholen und im besten Fall in eine Ausbildung oder ein Beschäftigungsverhältnis zu kommen. 

Laut Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Arbeitsagentur Niedersachsen kommen jedes Jahr 4300 junge Menschen in Niedersachsen ohne Abschluss von der Schule. Dadurch gibt es mittlerweile 190 000 Menschen zwischen 25 und 34 Jahren in Niedersachsen ohne Berufsabschluss. Prekäre Erwerbsbiographien sind bei diesen jungen Menschen nicht auszuschließen. 35 bis 40 junge Menschen durchlaufen im Jahr etwa die Jugendwerkstatt in Oldendorf und verbleiben dabei im Durchschnitt ein Jahr. Oftmals sind die Problemlagen der jungen Menschen so komplex, dass sie ohne Unterstützung keinen Einstieg in eine Ausbildung oder das Erwerbsleben schaffen.

„Wir ermitteln mit den Teilnehmenden vorhandene Kenntnisse, helfen bei der Berufsorientierung und finden gemeinsam einen Weg persönliche Hemmnisse zu überwinden“, erklärt Schumacher. Mit Hilfe der Jugendwerkstatt sollen die Jugendlichen dabei wieder gestärkt in ein geregeltes Leben finden. 

Dass sich die Arbeit mit den Jugendlichen lohnt, zeigt sich manchmal für die Mitarbeitenden der Jugendwerkstatt teilweise erst Jahre später. Shirly Weibel etwa kam als Jugendliche mit 17 Jahren in die Jugendwerkstatt und fand dort wieder in die Spur zurück. Die Trennung ihrer Eltern und der damit verbundene Rückzug aus ihrem sozialen Umfeld hatten die junge Frau aus der Bahn geworfen, was schließlich auch schulische Probleme hervor rief. In der Jugendwerkstatt fanden die Anleiter und Pädagogen, wie bei vielen anderen Jugendlichen auch, den richtigen Zugang zu der Jugendlichen und bauten sie wieder auf. In der Schule herrschte ein Erfolgsdruck, wogegen in der Jugendwerkstatt die Jugendliche Schritt für Schritt an das Arbeitsleben herangeführt wurde. Schon nach kurzer Zeit merkte sie, wie interessant die Arbeit der Mitarbeiter in der Jugendwerkstatt ist. Vorher stand Shirly Weibel der Jugendwerkstatt skeptisch gegenüber, doch der positive Umgang mit den Mitarbeitern und anderen Jugendlichen überraschte sie sehr. Der soziale Umgang miteinander und der tolle Austausch mit den anderen Jugendlichen ließ in ihr schließlich den Wunsch keimen, dass sie selber auch in dieser Richtung ihren Beruf finden will. „Ich konnte mich hier richtig ausprobieren und eigene Ideen mit einbringen. Jeder kann hier Vieles ausprobieren und seine Stärken herausfiltern“, so Shirly Weibel im Gespräch. Nach der Zeit in der Jugendwerkstatt konnte sich die Jugendliche wieder auf ihren Schulalltag konzentrieren und machte auf der Elisabeth-Selbert-Schule schließlich noch ihr Fachabitur und studiert mittlerweile Soziale Arbeit in Hildesheim. Während ihrer Ausbildung kam sie bereits zweimal als Praktikantin in die Jugendwerkstatt zurück undkonnte so in der Rolle als angehende Sozialarbeiterin Erfahrung in der Jugendsozialarbeit sammeln. Mit viel Herzblut stand sie in ihren Praktika jetzt Jugendlichen bei. Im Nachhinein sieht sie den Aufenthalt in der Jugendwerkstatt als Grund für ihren jetzt sehr positiv verlaufenden Berufsweg. „Es geht schließlich nur darum, dass man findet, was man später machen will!“, so Weibel. „Der Weg, den Shirly gegangen ist, ist schon ein Besonderer. Aber er ist auch nur einer von vielen anderen möglichen Wegen, die Jugendliche mit Unterstützung der Jugendwerkstatt einschlagen können. Wichtig ist, dass für Jugendliche auch in Zukunft dieses Angebot zur Unterstützung erhalten bleibt“, erwähnt Schumacher abschließend.

Im niedersächsischen Landtag bekannte man sich bereits fraktionsübergreifend zur erfolgreichen Arbeit der Jugendwerkstätten. Dies lässt auf eine prioritäre Förderung der Jugendwerkstätten ab 2021 der niedersächsischen Landespolitik hoffen.

Foto: Martin Schumacher und Shirly Weibel in der Jugendwerkstatt