Alles hat seine Zeit
Woodstore hat die Türen geschlossen
Coppenbrügge (gök). LeBurn Maddox wäre der letzte Gast gewesen. Im April sollte der in London lebende Amerikaner eigentlich auf der Bühne des Woodstore in Coppenbrügge stehen und im Wohnzimmer von Karin und Jörg Rasch ein letztes Mal ein geiles Konzert abliefern. „Im März erfuhren wir aber schon, dass das nichts wird und haben uns in der Corona-Zeit dann schnell an die Ruhe gewöhnt“, erklärt Karin Rasch auf der Terrasse ihres Hauses das plötzliche Ende der Wohnzimmerkonzerte.
150 Mal hatte das Ehepaar Musiker nicht nur in seinem Wohnzimmer oder Garten, sondern im ganzen Haus zu Gast. 2004 startete das erste Konzert mit Joe Peña noch ganz einfach auf einer Europalette, wozu die Möbel einfach rausgeräumt wurden. Über die Jahre wurde es dann immer professioneller, wofür vor allem die Erfahrung der Gastgeber sowie die beteiligten Tontechniker sorgten. Tonkünstler wie Stefan Waltemathe sorgten dafür, dass die Auftritte auch für die Musiker etwas Besonderes waren. Schnell genossen die Musiker aber nicht nur die besondere Akustik, sondern auch die familiäre Atmosphäre in Coppenbrügge. Die mittlerweile verstorbene Mutter von Jörg Rasch – Christa Rasch – wurde immer besonders herzlich von den Zuhörern als „Woodstore-Oma“ begrüßt und richtig vermisst, wenn sie einmal nicht da war. Die Manager der Bands machte dem Ehepaar Rasch zwar oft Vorgaben bezüglich der Essenswünsche, doch die Bands waren dann auch schnell begeistert, wenn Jörg Rasch den Kochlöffel für seine Gäste schwang. „Manchmal hat es den Bands so gut bei uns gefallen, dass sie auch ein oder sogar zwei Wochen geblieben sind. Wir haben das zwar gern gemacht, aber das Haus hatte man dadurch natürlich auch nicht mehr nur für sich“, erinnert sich der Hausherr zurück. Während der Corona-Zeit genossen die beiden Musikfreunde dann wieder ihre Zeit zu zweit und schlossen auch langsam mit dem Woodstore-Kapitel ab. 16 Jahre lang haben die beiden ihr Leben nach den Konzerten ausgerichtet und jetzt wird langsam alles im Haus zurückgebaut. Im ehemaligen Backstage-Bereich im Obergeschoss des Hauses wird jetzt etwa ein Bad eingebaut, was sich besonders Karin Rasch wünscht.
Zurückblickend schwärmen sie trotz finanzieller Belastung immer noch von vielen tollen Erinnerungen. So wollten die beiden auch nie Coverbands haben und machten nur für die „Joe Cocker Band Revival BRNO“ eine Ausnahme. „Ich war total überrascht, als ich feststellte, dass der tschechische Sänger gar kein Englisch konnte. Gesungen hat er aber Weltklasse, für die Band kamen sogar Fans aus Bremen extra nach Coppenbrügge angereist“, erinnert sich Jörg Rasch mit einem Lächeln im Gesicht zurück. Auch die Momente mit den Bands nach den Auftritten im Keller an der Bar waren immer wieder Besonders. Die Gransten Blues Band aus Schweden sorgte etwa nach ihrem Weihnachtsauftritt noch für tolle Musik auf Gläsern zwischen ein und vier Uhr nachts an der Bar, woran sich das Ehepaar gerne zurückerinnert. Legendär war auch ein Auftritt von Modern Earl, bei dem Jörg Rasch aufgrund des riesigen Zuspruchs sogar ein großes Loch in eine Wand sägte und so allen Besuchern den Blick auf die Band ermöglichte.
Bei ihrer Bandauswahl war dem Coppenbrügger Paar immer die Qualität sehr wichtig. Die Vargas Blues Band etwa stand alleine zehn Jahre zusammen mit Carlos Santana zusammen auf der Bühne. Rund 3000 Bands wurden dem Paar pro Jahr von Tourmanagern angeboten. Karin und Jörg Rasch nahmen sich dann die Zeit und hörten sich die meisten davon auf Videos oder Tondateien auch an und sorgten so dafür, dass nur hochklassige Musik den Weg nach Coppenbrügge fand. Mittelfristig muss sich Jörg Rasch nochmal einen Tag hinsetzen und die großen Tourmanager über das Ende der Konzerte informieren. Erst dann wird die email-Flut wohl etwas nachlassen.
Der Woodstore war trotz etwas geringer Zuhörerkapazität bei den Musikern sehr beliebt und wurde in so manche Tour eingebaut. „Seth Walker etwa wählte den Woodstore als einen von nur vier Orten auf seiner Tour in Deutschland aus“, so Jörg Rasch dankbar. Das wussten aber die Menschen in der Region nicht immer zu schätzen. Zwar gab es auch tolle und treue Stammbesucher, doch zu oft mussten Karin und Jörg Rasch gerade am Ende aus eigener Geldbörse drauflegen und den Auftritt mitfinanzieren. „Trotzdem ist alles richtig so, wie es gekommen ist und wir haben unseren Traum gelebt. Durch den engen Kontakt zu den Musikern haben sich auch viele Freundschaften ergeben. Elisabeth Lee etwa haben wir auch auf ihrer Hochzeit besucht. Wir werden uns jetzt erstmal auf uns konzentrieren und auch mit unserem Landrover und Wohnwagen durch die Gegend reisen sowie dann auch die Zeit mit unseren Enkelkindern genießen. Wir haben mittlerweile auf der ganzen Welt Freunde, die wir nun auch mal besuchen können“, freut sich das Paar auf die Zukunft. Eine Rückkehr der Woodstore-Bühne in ihrem Haus wird es nicht geben. Da lassen sich die beiden Coppenbrügger anders als Bands wie Rolling Stones oder Pink Floyd konsequent kein Hintertürchen mehr offen. Dankbar ist das Paar vor allem seiner tollen Nachbarschaft, die sich in all den Jahren nicht einmal über die Lautstärke bei den Konzerten beschwert hat. „Da sind wir sehr stolz drauf und sind super glücklich, hier wohnen zu dürfen. Andere Veranstaltungsorte haben oft mit ihren Nachbarn nicht so viel Glück wie wir“, so das Paar.

Foto: Karin und Jörg Rasch konzentrieren sich jetzt auf ihr Privatleben
Foto: LeBurn Maddox wäre der letzte Musiker im Woodstore gewesen – hier bei einem seiner früheren Konzerte im Woodstore
Foto: Viele Besucher haben den Woodstore bei den 150 Konzerten besucht