Mehrere Standbeine helfen
Familie Borchard trotzt der Corona-Krise mit Ideenreichtum
Grünenplan/Delligsen (gök). Im Delligser Festsaal ist es derzeit etwas trostlos. Seit 8. März gab es dort keine Veranstaltung mehr. Seit weit über 30 Jahren ist Jürgen Borchard neben seinem eigenen Hotel in Grünenplan als Pächter von der Gemeinde auch für den Festsaal in Delligsen zuständig. In den letzten Monaten fanden dort aber höchstens politische Sitzungen mit dem notwendigen Abstand oder im benachbarten Bistro einige kleinere Familienfeiern wie etwa bei Trauerfällen statt.
„Etwa 150 Veranstaltungen mussten wir dieses Jahr im Delligser Festsaal und in Grünenplan ausfallen lassen“, erklärt der Inhaber von Lampes Posthotel im Gespräch. Der Umsatzrückgang beträgt seit dem Frühjahr rund 50 Prozent, im April und Mai sogar 70 Prozent vom Umsatz. Besonders der Verlust von Familienfeiern, Festbällen, Betriebs- und Weihnachtsfeiern sorgte für hohe Umsatzeinbußen bei Familie Borchard, wo Sohn André mittlerweile den 70jährigen Inhaber in der Geschäftsführung tatkräftig unterstützt.
Geholfen haben in den letzten Monaten neben dem Überbrückungsgeld I und Soforthilfen vor allem Kurzarbeit, wodurch zumindest alle zehn festen Arbeitsplätze gehalten werden konnten. „Das war wirklich eine wirksame Hilfe in der Krise“, ist Jürgen Borchard vor allem für das Mittel der Kurzarbeit dankbar. Die Betreiber schätzen, dass die Kurzarbeit aber noch einige Zeit anhalten wird. Dankbar ist die Familie daher auch den flexiblen Mitarbeitern, die in den letzten Monaten tolle Arbeit geleistet haben.
Dank Soforthilfe, Überbrückungskredit und Kurzarbeit hält die Familie zwar den Betrieb noch gut am Leben, doch mit der Zahlung aus einer Betriebsschließungsversicherung wäre man deutlich besser als mit einem blauen Auge weggekommen. Die Versicherungsgesellschaft hat bisher lediglich 15 Prozent der Versicherungssumme angeboten. „Wir sind da kein Einzelfall. Ich habe erfahren, dass zwei von drei Gastwirten und Hoteliers ähnliche Angebote angenommen haben. Mit der Unterschrift verzichtet man aber auch noch auf weitere Leistungen aus der Versicherung. Wir bestreiten jetzt den Klageweg und kämpfen vor Gericht um unser Recht“, gibt sich Jürgen Borchard kämpferisch. Wann aber mit einem Urteil zu rechnen ist, kann er noch nicht einschätzen.
Nach dem Lockdown hat die Familie das Angebot aber erweitert und auch auf Außer-Haus-Service ausgeweitet. „Hier müssen wir uns dann auch bei der Solidarität der Menschen aus der Region bedanken. Wir haben viele Gerichte zum Mitnehmen verkauft, weshalb man auch mal Danke sagen muss“, ist Jürgen Borchard seinen Stammgästen sehr dankbar. Das Familiengeschäft mit den zwei Standorten hat aber mehrere Standbeine, die die Verluste durch die Pandemie etwas auffangen. Beobachten konnten die Betreiber auch eine Zunahme des regionalen Tourismus. „Übernachtungen von Wanderern oder Motorradfahrern haben spürbar zugenommen. Einige Urlauber waren dabei sogar über eine ganze Woche bei uns zu Gast, was wir vorher kaum mal beobachten konnten“, erklären Jürgen und André Borchard im Gespräch.
Die Betreiberfamilie ist sich aber ihrer Verantwortung bewusst und ist auch weiterhin sehr vorsichtig. Obwohl es mit viel Aufwand und höherem Personalansatz möglich wäre, verzichtet man bis auf weiteres auf Büffet-Angebote. So wird es etwa dieses Jahr das beliebte Silvesterbüffet in Grünenplan oder Delligsen nicht geben. Die Pause beim Lockdown hat die Familie auch für eine kleine Renovierung genutzt und auch in der Winterpause Anfang Januar sind noch einmal Renovierungen geplant, um das Haus auch weiterhin attraktiv zu gestalten.
Auch das Hygienekonzept in Grünenplan wirkt sehr gut. Ein Einbahnstraßensystem oder auch die starke Ent- und Belüftungsanlage sorgt dafür, dass die Hygiene- und Abstandsregelungen sehr gut umgesetzt werden. Trotz sehr guter Voraussetzungen merken die Betreiber aber immer wieder, wie vorsichtig auch die Gäste in Hotel und Restaurant sind. „Wir schätzen, dass bis zu einer Normalisierung noch viele Monate ins Land ziehen“, so Jürgen Borchard.
Foto2417: Lampes Posthotel ist seit 1886 in Familienbesitz
Foto3691: Im Delligser Festsaal haben seit 8. März keine Feiern stattgefunden
Foto5703: André und Jürgen Borchard bauen mit ihrem Betrieb auf mehrere Standbeine und hoffen so, diese Krise gut zu überstehen