Höhepunkt der Wildunfälle im April
Weniger Unfälle als in früheren Jahren / Gefahr besonders an Waldgebieten
Alfeld / Duingen (gök). Seit über 25 Jahren schon führt die Jägerschaft im Kreis Hildesheim ein Pilotprojekt durch, um die Fallwildzahlen durch Verkehrsunfälle zu minimieren. Lag die Fallwildquote am Anfang noch bei 33 Prozent, wurde sie mittlerweile über die Jahre auf rund zehn Prozent reduziert. Geschafft wurde das unter anderem durch das Vorziehen der Jagdzeit bei Rehen. „Im Frühjahr gibt es in den Jagdrevieren Territorialkämpfe zwischen alten und jungen Rehböcken, wodurch eine große Unruhe im Wildbestand entsteht. Die gerade geschlechtsreif gewordenen männlichen Tiere werden im Frühjahr vertrieben und suchen eine neue Bleibe. Durch die vorgezogenen Jagdzeiten werden dann gezielt Rehe entnommen, wodurch auch weniger Revierkämpfe entstehen und weniger aufgeschrecktes Wild auf die Straßen läuft. Die Zahlen werden zwar nie auf null gehen, aber die Senkung über die Jahrzehnte ist schon ein großer Erfolg für alle Beteiligten“, erklärt der Jägermeister der Jägerschaft Alfeld Jürgen Schmidt aus Duingen im Gespräch. Schmidt geht auch davon aus, dass die schon seit einigen Jahren installierten Wildwarnreflektoren ihren Teil zur Sicherheit beigetragen haben. „Je nach Gutachter ist die Wirkung zwar umstritten, aber wir sind mit dem Ergebnis zufrieden“, erklärt Schmidt. Vor rund sieben Jahren hat allein der Hegering Duingen in seinem Gebiet rund 800 Wildwarnreflektoren an den Leitpfählen entlang der Straßen angebracht.
Laut dem Deutschen Jagdverband (DJV) ist die Zeit von 6 bis 8 Uhr am Morgen die risikoreichste Zeit für Wildunfälle, wobei die meisten Unfälle jedes Jahr im April passieren. Am häufigsten kommen dabei die Rehe unter die Räder, machen sie doch 49 Prozent aller insgesamt gemeldeten Wildunfälle aus. Der DJV hat insgesamt 30 000 Datensätze aus dem Tierfund-Kataster wissenschaftlich ausgewertet, wodurch erstmals eine bundeseinheitliche Erfassung von Wildunfällen möglich ist. Die nun vorliegenden Daten zeigen, dass kleinere Säugetier deutlich öfter Opfer von Wildunfällen sind als bisher angenommen. Rund drei Dutzend Kleinsäuger-Arten wie Marder, Ratte, Igel, Eichhörnchen machen insgesamt 12 Prozent der gemeldeten Wildunfälle aus. Hase und Kaninchen kommen zusammen auf weitere zehn Prozent, Füchse auf sieben Prozent. Erst dann folgt mit dem Wildschwein (fünf Prozent) ein zweites großes Wildtier nach dem Reh. Die Gruppe der Vögel ist an vier Prozent der Kollisionen beteiligt.
Für die Erfassung kann jeder Bürger beim Tierfund-Kataster helfen, da alle gesammelten Daten wichtig sind. So können Unfallschwerpunkte identifiziert und in der Folge auch durch verschiedene Maßnahmen entschärft werden. Eine App ist dazu kostenlos für iphones und Android-Handys in den jeweiligen Stores erhältlich. Bisher haben über 20 000 Nutzer mehr als 90 000 Funde gemeldet. Das Kataster wurde 2011 in Schleswig-Holstein ins Leben gerufen und Ende 2016 auf ganz Deutschland ausgeweitet.
Zur Verhinderung eines Wildunfalls hat der DJV auch einige Tipps parat. So sollte entlang unübersichtlicher Wald- und Feldränder die Geschwindigkeit reduziert werden, wobei besonders neue Wege durch Waldgebiete gefährlich sind. Wenn ein Tier am Straßenrand entdeckt wird, sollte abgeblendet, gehupt und vorsichtig abgebremst werden. Ein Tier kommt dazu selten allein, Autofahrer sollten stets mit Nachzüglern rechnen.
Im Falle eines Wildunfalls sollte der Unfallbeteiligte zunächst die Unfallstelle absichern, wobei Warnblinkanlage, Warnweste und Warndreieck genutzt werden sollten. Danach dann sofort die Polizei informieren und aufgrund möglicher Infektionsgefahren tote Tiere nur mit Handschuhen anfassen. Zu lebenden Tieren sollte man auch einen entsprechenden Abstand halten. Selber sollte eine Wildentnahme nicht erfolgen, da man sich eventuell der Wilderei strafbar macht. Einem geflüchteten Tier sollte man zudem nicht folgen, dem Jäger aber die Fluchtrichtung mitteilen, damit dieser verletzte Tiere leichter findet. Für die Versicherung kann ein Jäger oder die Polizei dann eine Wildunfallbescheinigung ausfüllen.
Alfelds Polizeikommissariatsleiter Thomas Brandes erwartet bei den bisher noch nicht vorliegenden Wildunfallzahlen für 2020 einen Rückgang. „Auch hier wird die Pandemie sicherlich Auswirkungen haben, da auch weniger Fahrzeuge unterwegs waren“, vermutet der Erste Polizeihauptkommissar. Im zuständigen Bereich des Kommissariats gab es 2018 189 und 2019 195 Wildunfälle. Schwerpunkt mit der Hälfte der Unfälle war dabei der Bereich der Stadt Alfeld, wobei sich die andere Hälfte auf den Flecken Duingen, die Samtgemeinde Sibbesse und Freden etwa zu gleichen Teilen verteilte. „Das Wild hat dabei immer bestimmte Routen, wobei bei Schwerpunkten mit entsprechenden Schildern auch auf die Gefahrenbereiche aufmerksam gemacht wird. In den Gefahrenbereichen wurde oft auch die Höchstgeschwindigkeit reduziert, wodurch sich in einer Gefahrensituation auch die Bremswege verkürzen. Diese Hinweise sollte jeder Verkehrsteilnehmer beachten“, mahnt Brandes zur Vorsicht.
Foto: Auch Füchse werden oft Opfer bei Wildunfällen
Foto8916+8920: Gerd Harstick und Friedrich Sürig installierten zusammen mit vielen anderen Ehrenamtlichen zwischen Marienhagen und Lübbrechtsen schon 2014 Wildwarnreflektoren