Vom Sportmuffel zum Laufenthusiasten

Wilfried Fischer läuft auch mit 82 Jahren noch bei Volksläufen

Warzen/Alfeld (gök). Mit dieser Entwicklung hätte Wilfried Fischer selber wohl kaum gerechnet. In seinen Zwanzigern genoss Fischer das Leben, wo auch die ein oder andere Zigarette dazu gehörte. Doch die vielen Laster hatten damals ihren Preis, mit 181 Zentimetern Größe wog er mit 29 Jahren 100 Kilogramm. Nach Rücksprache mit seiner Frau machte er auf Empfehlung seiner Mieterin einen Termin bei einem Heilpraktiker in Alfeld. „Zuerst überzeugte er mich, mit dem Rauchen aufzuhören. Das klappte sofort und nach drei, vier Tagen wurde ich wieder dort vorstellig. Auf die Frage, ob ich Sport treibe, antwortete ich ganz entschieden Nein“, erinnert sich Fischer an dieses Treffen vor über 50 Jahren mit einem Schmunzeln zurück. Auf die Frage nach der richtigen Sportart sollte er am besten im Wald laufen gehen. „Im Leinekauf kaufte ich dann meine ersten Laufschuhe, damals noch völlig ohne Dämpfung oder Stabilisation“, so Fischer im Gespräch. Im Hils ist Fischer dann für sich ganz allein laufen gegangen, wo ihn auch die ersten bekannten Gesichter gesehen haben.

Diese haben ihn dann zum VfL Alfeld mitgenommen, wo er auch richtig Laufen gelernt hat. Dazu traf man sich noch auf dem Teerplatz vor dem Gymnasium, wo gemeinsam die Übungen absolviert haben. Danach setzte sich der Warzer immer wieder neue Ziel und kam so auch zu Volksläufen. Vor allem Günter Friebe und Heinz Hein nahmen sich dem „Nachwuchsläufer“ an und motivierten ihn immer wieder zu den verschiedensten Laufveranstaltungen, wo Fischer dann immer mehr Gefallen dran fand. Nicht alle Laufversuche waren aber von Erfolg gekrönt. So erinnert er sich noch an seinen ersten 25-Kilometer-Lauf zurück, wo er nach zweieinhalb Kilometern wieder umdrehte. Doch die Lust am Laufen war trotzdem schnell geweckt, weshalb auch das Marathontraining irgendwann angegangen wurde. Zusammen mit anderen Laufenthusiasten lief er oft stundenlang durch den Hils, wozu man damals an einigen Stellen im Wald auch immer Getränke versteckte.

Über das Laufen fand er auch tolle Sportfreunde, mit denen er vor allem die Erlebnisse an diversen Laufveranstaltungen teilte. Neben unzähligen Halbmarathons und 25-Kilometer-Läufen absolvierte 21 Marathons, wobei er sein Ziel von unter drei Stunden aber immer verfehlte. Den ersten Marathon lief er am 18. Januar 1980 in Dörverden, wo er nach 4:18 Stunden zusammen mit einer Frau als Letzter direkt vor dem Besenwagen ins Ziel kam. „Nach dem Lauf ging es mir da auch richtig schlecht, was sich erst nach der Dusche wieder legte. Nach dieser Erfahrung lief ich dann fast alle weiteren Marathons unter vier Stunden, meistens zwischen 3:10 und 3:20 Stunden“, ist Fischer auf seine Leistungen auch stolz. Lediglich bei einem Marathon in Arolsen im Winter wollte er einen Freund ziehen, wo er am Ende dann auch bei über vier Stunden lag.

Mit vielen Laufveranstaltungen verbindet er auch tolle Erinnerungen, wie etwa den Berlin-Marathon am 1. Oktober 1989 direkt vor der Deutschen Einheit. Besonders die abenteuerliche Busfahrt mit Reisestrapazen blieb dabei in Erinnerung. Bei einem regnerischen Marathon in Frankfurt wunderte er sich unterwegs beim Blick auf die Uhr noch über die gute Zeit und nahm zur Sicherheit etwas Tempo raus. Erst später fiel ihm auf, dass durch den Regen die Uhr einfach stehengeblieben war. Durch das Laufen ist Fischer richtig rumgekommen und hat viele Orte kennengelernt. Zwischen 45 und 50 Jahren zeigte er die stärksten Leistungen, wobei dafür auch viel Trainingszeit investiert wurde. So lief er fast jedes Jahr über 2000 Kilometer und gerade in der Marathonvorbereitung aber auch mal 80 Kilometer die Woche. Hochgerechnet auf seine Sportlerjahre kommt der 82jährige auf deutlich über 100 000 Kilometer, was einer zweieinhalbfachen Erdumrundung entspricht.

Mitte der achtziger Jahre gehörte Fischer dann auch zu den Gründungsmitgliedern der LAV Alfeld, wo er fortan auch fast immer irgendwie im Vorstand ehrenamtlich tätig war. „Das Ehrenamt war mir immer sehr wichtig und mir auch viel Spaß bereitet“, so Fischer, der auch jahrelang Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt in Warzen war. Richtigen Schwung nahm sein ehrenamtliches Engagement dann Mitte der Neunziger auf, als er das Angebot für den vorzeitigen Ruhestand bei seinem Arbeitgeber VW annahm und wesentlich mehr Zeit hatte. Zu dem Zeitpunkt startete auch das Kindertraining, was ihm persönlich sehr am Herzen lag. Aufgrund einiger Differenzen mit dem LAV-Vorstand wechselte er 2005 zum TSV Warzen, wo er dann auch das Leichtathletiktraining als Spartenleiter aufbaute. Über 50 Jugendliche und Erwachsene wechselten damals zusammen mit ihm den Verein und etablierten den TSV in der Leichtathletikwelt. Veranstaltungen wie der Esel- oder Silvesterlauf entwickelten sich dann schnell zu einer Institution im Laufkalender. Zu vielen Jugendlichen hat Fischer auch jetzt noch einen engen Draht und viele kommen immer noch regelmäßig zu Besuch nach Warzen, auch wenn sie selber schon Kinder haben. Mittlerweile hat er das Kinder- und Jugendtraining in jüngere Hände gegeben, wobei sich auch seine Tochter Gabriele Holzhaus dort mit engagiert.

Dankbar ist er vor allem seiner Frau Margot, die ihm für seine Laufpassion jahrelang den Rücken freigehalten hat. In den letzten Jahren gibt er das nun zurück, da er sich um seine gesundheitlich angeschlagene Frau kümmert und auch den Haushalt macht. Zeit nimmt er sich trotzdem aber noch für so manche Laufeinheit, von der er auch im hohen Alter noch nicht genug bekommt. „Das Laufen hat mich immer gesundgehalten, hatte ich doch nie irgendwelche Probleme und nur einmal eine Grippe“, ist Fischer überzeugt davon, dass ihm das Laufen auch gesundheitlich viel gegeben hat.

 

Foto6648: Die Ergebnisse vom Berlin-Marathon 1989 kamen noch per Post

Foto6657: Vom Lauf in Einbeck hat Fischer eine stattliche Bierkrugsammlung

Foto6662: Besonders gefreut hat sich Wilfried Fischer über ein geschenktes Erinnerungsalbum seiner damaligen LAV-Jugend

Foto6651: Wilfried Fischer beim Frankfurt-Marathon 1983

Foto6660: Im Gartenhaus hängt noch ein Geschenk seiner Schützlinge zum 80. Geburtstag

Foto6647: Das Ergebnis vom Hamburg-Marathon kam 1988 per Post

Foto6649: 1982 beim Hanau-Marathon mit einigen Mitstreitern, ganz rechts Wilfried Fischer

Foto6646: Wilfried Fischer 1989 beim Lauf in Holzminden

Foto6653+6655: Medaillensammlung von Wilfried Fischer

Foto6658: Selbst in der Küche hängt ein Regal voller Pokale

Foto6650: Wilfried Fischer beim Stundenlauf 1983

Foto6645: Urkunde vom ersten Marathon von Wilfried Fischer

Foto8628: Immer noch ist Wilfried Fischer regelmäßig bei den Volksläufen in der Region zu sehen – wie hier beim Duinger Berglauf