Die Menschen müssen aufwachen
Ohne Lärmschutz wird Güterverkehr im Flecken Salzhemmendorf nicht auszuhalten sein
Benstorf (gök). Torsten Köhler ist verärgert. Im Juni hat das Salzhemmendorfer Ratsmitglied seine Ratskollegen angeschrieben und sich darüber beschwert, dass er als einziger Vertreter des Flecken Salzhemmendorfs an der Begehung der BI Transit zum Ausbau der Bahnlinie Hameln-Elze teilgenommen hat. Nach derzeitigem Stand besteht nach juristischer Beurteilung kein Anspruch auf etwaigen Lärmschutz entlang der Trasse. Das hätte gerade für die Anwohner in Benstorf und Oldendorf sowie auch Hemmendorf oder Osterwald dramatische Folgen. Daher setzt sich die Begleitkommission auch für bessere Rahmenbedingungen entlang der Strecke ein.
„Wir haben eine Resolution gegen den Ausbau Voska beschlossen, die ich auch weiterhin für wichtig halte, um die Bürger in Salzhemmendorf zu schützen. Eine klare Resolution Bahn gibt es weiterhin nicht“, bemängelt er in seinem Schreiben. Aus seiner Sicht kann man nicht verlangen, dass Vertreter anderer Kommunen für die Rechte der Anwohner im Flecken Salzhemmendorf kämpfen.
Durch die kommende Elektrifizierung des Streckenabschnitts Hameln-Elze wird die Voraussetzung für eine südliche Umfahrung des Knotens Hannover sowie des Engpassbereiches Lehrte-Braunschweig durch Güterzüge geschaffen. Güterzüge können so mit einer maximalen Geschwindigkeit von 120 Km/h durch das Saaletal rollen und auch in der Nacht die Anwohner wachhalten. Auf der Strecke sind Kreuzungsbahnhöfe in Behrensen und Osterwald vorgesehen. Das sorgt dafür, dass im Bereich des Bahnhofes Osterwald auch gebremst und beschleunigt wird, was die Lärmbelästigung in diesem Bereich dann noch einmal erhöht.
Der Parlamentarische Staatsekretär Enak Ferlemann beantwortete im Juli eine Anfrage der heimischen Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann (Linke) nach der Anzahl von prognostizierten Güterzügen. Wenn die Strecke elektrifiziert ist, prognostiziert Ferlemann bis 2030 täglich bis zu 26 Güterzüge auf der Strecke Hameln-Elze, wobei er die folgenden Zahlen noch nicht beziffern könnte. „Während die bisherigen Personenzüge auf der Strecke deutlich unter einhundert Meter lang sind, dürften wir dann mit 760 Meter langen Güterzügen auf der Strecke rechnen. Die Entwicklung geht aber sogar dahin, dass diese Züge bald bis zu 1,2 Kilometer lang sind“, denkt Köhler schon über die negativen Folgen der Elektrifizierung nach.
Die Annahme von vielen Politikern, dass die Elektrifizierung der Strecke für eine Anbindung an den S-Bahn-Verkehr sorgen könnte, hält Köhler für sehr blauäugig. Die Bahnstrecke wurde in den vergangenen Jahren erst neu ausgeschrieben. Ab dem Fahrplanwechsel im Winter wird die Firma Start als Tochterunternehmen der DB Regio die Strecke dann mindestens noch bis 2029 als Dieselstrecke betreiben. Während die Personenzüge relativ leise sind und auch nicht zwischen 23 und 5 Uhr fahren, wird der Geräuschpegel der Güterzüge viele hundert Meter entlang der Bahnstrecke die Menschen laut Köhler belästigen.
Der bereits durch viele Maßnahmen geförderte und auch gewollte sanfte Tourismus ist dann laut Köhler passé. Auch wirtschaftlich werden die Güterzüge dann negative Auswirkungen nach Meinung des Benstorfers haben. Die Familie Ratzke etwa wird als Betreiber des Rasti-Landes die geplante Feriensiedlung laut Köhler eventuell auch noch einmal überdenken. „Über 50 Dauerarbeitsplätze und nachhaltige Unterstützung eines heimischen Betriebes sind dann bedroht“, so Köhler, der zusammen mit einigen wenigen Anwohnern sich in der BI Transit engagiert. „Der Ausbau mit der Elektrifizierung kommt und hier halten alle die Ohren und Augen geschlossen. Uns droht schwerer Güterverkehr ohne feste Zeiten und Lärmschutz und keiner springt hier auf. Ein vernünftiger Lärmschutz ist dabei doch entscheidend. Das Desinteresse können wir nicht begreifen“, ärgern sich Köhler und Otto Brockmann im Gespräch. In der Prognose nach 2030 halten die BI-Mitglieder sogar den Worstcase mit 98 Zügen täglich rund um die Uhr auf der Strecke für möglich. Folgen wären unter anderem Wertverlust von Immobilien, Wegzug und Verlust von Infrastruktur.
„Ich bin kein Feind der Bahn – ganz im Gegenteil. Ich bin der Sohn eines Bahners, fahre mit dem Zug in den Urlaub und auch täglich zur Arbeit. Ohne Lärmschutz droht hier aber eine Katastrophe, die wir zusammen verhindern müssen. Nach jetzigem Status Quo haben wir aber keinen Rechtsanspruch darauf und müssen darum gemeinsam kämpfen. Der Lärmschutz kommt nur, wenn die Menschen auf die Barrikaden gehen“, appellieren Brockmann und Köhler an den gesamten Flecken. Eine gemeinsame ähnliche Resolution wie beim Steinbruchabbau in Salzhemmendorf wäre hier zumindest ein Anfang und würde für die Benstorfer ein Zeichen der Solidarität im ganzen Flecken sein. Die Zeit eilt dabei aber, da die Baumaßnahmen immer weiter voranschreiten. So werden derzeit die Bahnstrecken der Region alle mit neuen Kabelkanälen versehen und digitalisiert, was dann eine Voraussetzung für den intensiven Betrieb in der Zukunft ist.
Foto: Torsten Köhler und Otto Brockmann fürchten durch den Güterverkehr für die Anwohner unzumutbare Zustände und motivieren zum Protest