Runder Geburtstag für die gute Seele der Seniorenakademie

Brunhilde Heinrich feiert 90. Geburtstag

Alfeld (gök) Brunhilde Heinrich ist eigentlich immer da. Gegenüber vom Mehrgenerationen-Treff der Senioren-Akademie Alfeld hat die rüstige Rentnerin ihre Wohnung, doch meistens ist sie nur wenige Stunden in ihren eigenen vier Wänden. Schon morgens geht sie meist sehr früh in die ehemalige „Kleine Kneipe“, öffnet Fenster und Türen und ist Ansprechpartner vor Ort. Die Alfelderin lässt sich diese Aufgabe auch mit 89 Jahren nicht nehmen und plant nun, im Kreise ihrer Familie und mit Freunden am 17. August ihren 90. Geburtstag zu feiern.

Genau wie jetzt hatte die Alfelderin immer ein sehr bewegtes Leben, wobei stets der Kontakt zu und die Hilfe für andere Menschen im Mittelpunkt stand. Vor allem die Zeit nach dem Krieg hat die gebürtige Sarstedterin geprägt, eine besonders karge Zeit voller Entbehrungen. „Bei meinem Onkel auf dem Gutshof lernte ich gut improvisieren und schnell organisieren, was mir dann später sehr viel geholfen hat. Seitdem war mir nie bange vor Notsituationen“, erklärt Brunhilde Heinrich im Gespräch. Durch den Kontakt mit Kriegsgefangenen hatte sie schon früh die Achtung vor anderen gelernt und konnte sich immer gut in andere Menschen hineinversetzen. Bereits in ihrer Schulzeit lernte sie ihren späteren Mann, den Pastor Christian Heinrich kennen. Bange machen gilt nicht – war das Motto des Paares. „Wir haben es genutzt und damit auf schwierige Situationen reagiert. Das brachte uns wertvolle Begegnungen ein, die wir nie gesucht, aber oft gefunden haben“, erinnert Brunhilde Heinrich sich zurück.

Nach der Heirat arbeitete Brunhilde noch als Krankenschwester, während Christian Heinrich die kirchliche Jugendarbeit im Kreis Alfeld übernahm. 1958 bis 1966 kam dann eine große Aufgabe auf sie zu: Sie betreuten gemeinsam das Obdachlosenviertel der Stadt Hildesheim am Pferdeanger hinter dem Volksfestplatz. Bis zu 600 Menschen, darunter 300 Kinder unter zehn Jahren, waren auf ihre praktische Hilfe und Fürsorge angewiesen, denn das ehemalige Kriegsgefangenenlager war in einem miserablen Zustand und den Bewohnern fehlte es an Lebensplanung und Zukunftsperspektive. So gab es für das Paar viele grundlegende Probleme zu bewältigen, allein schon in der Hygiene, denn keine Wohnung hatte fließendes Wasser und eigene Toiletten. Die Baracken waren besonders im Winter ohne fließendes Wasser und Toiletten kaum zumutbar. „Wir haben mit Erfolg menschenwürdige Unterkünfte erkämpft“, erinnert sich Brunhilde Heinrich gerne auch an Erfolge aus dieser Zeit zurück.

Auch wenn das eine erfüllende Zeit war, suchten sie noch eine andere Herausforderung. Mit ihrer großen Familie planten sie, nach Taiwan zu gehen. Zu zwei eigenen Kindern waren in der Zeit noch sechs Pflegekinder dazugekommen. Über die Blindenmission in Hildesheim sollten dort ein Kindergarten und eine Schule für blinde Kinder aufgebaut werden. Fast sieben Jahre stellten sie sich den äußerst schwierigen Aufgaben, denn das Klima und fehlende Sprachkenntnisse kamen noch erschwerend hinzu. Und sie zögerten keinen Augenblick, den kleinen blinden Jungen Daniel in Taiwan noch zusätzlich als ihr Kind anzunehmen und großzuziehen.

Nach der Rückkehr aus Taiwan übernahm Christian Heinrich die Pfarrstelle in Woltershausen. Wieder füllten sich Haus und Familie der Heinrichs mit Pflegekindern 16 Jahre in dem Ort vor den Toren Alfelds. 1990 nach der Pensionierung zog das Paar nach Marienhagen, wo Christian Heinrich 1998 verstarb. Brunhilde Heinrich führte dann aber die vielen gemeinsamen Aktivitäten fort, so war etwa für die Kinder des Kindergartens das Brotbacken im Backofen des Heinrich’schen Gartens stets ein besonderes Erlebnis. Durch die guten Kontakte zu Menschen wie der Kindergartenleiterin Rosemarie Siedersleben entstand auch in Marienhagen eine tolle Gemeinschaft. 1993 startete schließlich die Alfelder Seniorenakademie, und Margarete Behrens konnte Brunhilde Heinrich als aktives und sehr engagiertes Mitglied werben. Vor allem der praktische Gedanke der sozialen Bildung wurde von ihr in vielfältiger Form umgesetzt. Der reine Bildungsanspruch wurde dann in mehrere Abteilungen ausgeweitet. Ab 2008 zog in der ehemals „Kleinen Kneipe“ der Mehrgenerationen-Treff ein, dem sie ihre besondere Ausprägung verlieh. Auch ab 2015 flossen durch sie in der Flüchtlingsarbeit ihre wertvollen Erfahrungen aus Taiwan und der Pferdeangerzeit ein.

„So bebildert wie Brunhilde Heinrichs Leben kann ich mir ein anderes Leben gar nicht vorstellen“, ist Lieselotte Herwig beeindruckt, wenn sie von ihrer gemeinsamen Arbeit in der Senioren-Akademie und der „Kleinen Kneipe“ berichtet. „Es ist nur gut, dass Brunhilde ihre Erlebnisse in ihren vielen Büchern festgehalten hat, sonst könnte man es kaum nachvollziehen.“ Und natürlich wünscht sie sich noch eine lange fruchtbare Zusammenarbeit mit ihr als „Chefin“ und stete „Ideenentwicklerin“ für ein lebendiges Zusammentreffen im Mehrgenerationen-Treff der Alfelder Senioren-Akademie.

Foto9317: Die Großfamilie Heinrich kurz vor der Abreise nach Taiwan

Foto9318: Familie Heinrich beim Heimatbesuch in Deutschland Anfang der siebziger Jahre

Foto9319: Brunhilde Heinrich hatte immer ein Herz für Kinder

Foto9322: Noch im hohen Alter schließt Brunhilde Heinrich jeden Morgen die Seniorenakademie auf und ist der direkte Ansprechpartner