Ausstellung der besonderen Art
Sonderausstellung zu Gertrud Kraut im Töpfermuseum ab 30. Oktober
Duingen/Hameln (gök). Gertrud Kraut verfolgt Ingrid Wolfsberger schon länger. Seit vielen Jahren ist Wolfsberger schon die Leiterin des Töpfermuseums in Duingen und stößt in ihrer Arbeit dabei immer wieder auf die Werke der vor knapp 42 Jahren verstorbenen Kraut. Zuletzt erwarb das Töpfermuseum selber 2019 einige Keramikkunstwerke der bedeutenden Keramikkünstlerin. Durch die Pandemie wurde die Zeitplanung des Töpfermuseums etwas durcheinandergewirbelt, doch am 30. Oktober soll nun endlich die schon länger vorgesehene Sonderausstellung über Gertrud Kraut starten.
Von 1919 bis 1922 hatte die Künstlerin Gertrud Kraut ihre erste Werkstatt in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Museum in Duingen in der jetzigen Wilhelm-Niemeier-Straße, wo an der Hauswand noch Zeichen von der Töpfergeschichte des Hauses zeugen. In einer für Frauen damals nicht selbstverständlichen Art verwirklichte die geborene Straßburgerin ihren künstlerischen Drang und wurde zu einer der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Zeit.
1883 wurde sie zwar in Straßburg geboren, zog aber nach dem Tod ihres Vaters 1890 mit ihrer Mutter in deren Heimatstadt Hannover. Nach ihrer schulischen Ausbildung begann sie mit 26 Jahren ihre Ausbildung in München in den „Lehr- und Versuchsateliers für angewandte und freie Kunst“, wo ihr Talent zur Töpferei entdeckt wurde. Gertrud Kraut begeisterte sich für die Keramik und leitete schließlich 1913/14 dort die keramische Abteilung. Bei einer Ausstellung in Köln wurde der Keksfabrikant Hermann Bahlsen aus Hannover auf sie aufmerksam und beauftragte sie mit der Herstellung von 250 Keksschalen. Eine Bahlsen-Dose, die nach ihrem Entwurf gefertigt wurde, wird heutzutage immer noch in Kopie verkauft und steht in vielen Haushalten. 1919 kam sie schließlich nach dem Tod von Bahlsen nach Duingen und gründete dort ihre erste eigene Keramikwerkstatt in der ehemaligen Töpferei Lampe. „Durch diesen Umzug wird auch deutlich, welche Bedeutung Duingen damals noch in der Töpfergemeinde hatte“, so Wolfsberger.
Da die Familie in Duingen aber Eigenbedarf für die Werkstatt anmeldete, zog sie mit ihrer „Keramische Abteilung der Niederdeutschen Werkstätten für Handwerkskunst GmbH in Hannover“ 1922 schließlich nach Hameln. Daraus entstand dann ein halbes Jahr später die „Hamelner Töpferei GmbH“ mit Dr. Georg Rawitscher als Geschäftsführer. Aufgrund der kommerziellen Ausrichtung der Töpferei verließ Gertrud Kraut die Töpferei 1925 und mietete von der Stadt Hameln Räumlichkeiten am Langen Wall in Hameln, wo sie die „Töpferei Gertrud Kraut“ gründete. Die Werkstatt wurde schnell zu einem Ort des kulturellen Lebens in Hameln, wo immer auch viele andere Künstler vor Ort waren. Unter anderem gehörten hier auch die berühmten Keramiker Richard Uhlemeyer und Hedwig Bollhagen zu ihren Schülern. Ihre Werke stellte die Keramik-Künstlerin dann in zahlreichen Ausstellungen in Stuttgart, Hamburg oder München aus. 1931 wechselte sie mit ihrer Werkstatt schließlich von Hameln nach Hannover und verließ auf Drängen ihrer Familie schweren Herzens 1933 die Töpferei, als ihre finanziellen Mittel erschöpft waren. Danach lebte sie fortan im Damenstift Wülfinghausen bei Hannover und engagierte sich verstärkt in der Gedok – dem Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden -, wo sie in Hannover auch Gründungsmitglied war. 1980 starb die bedeutende Künstlerin schließlich mit 97 Jahren und wurde im Kloster Wülfinghausen bestattet.
Insgesamt vier private Sammler und vier Museen sorgen mit ihren Leihgaben dafür, dass in Duingen eine besondere Sonderausstellung zu Gertrud Kraut entstehen, die in der Keramik-Szene schon für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Ein Höhepunkt werden dabei sicherlich die Leihgaben von der Firma Bahlsen, die sonst in Museen nicht zu sehen sind. Sehen können die Besucher dann auch Keramik-Arbeiten, die oft in dem bekannten „Kraut-Grün“ gehalten sind, dass vielen Sammlern mittlerweile ein Begriff ist. „Gertrud Kraut ist zwar eine der bedeutendsten Keramikkünstlerinnen des 20. Jahrhunderts, aber wohl auch eine der Unbekanntesten außerhalb der Szene. Besonders eindrucksvoll war ihr ganzer Lebensweg, wo sie sich auch in schwierigen Zeiten immer treu blieb. Erst recht schwierig war es für fortschrittliche Frauen wie Gertrud Kraut vor rund 100 Jahren, die ihr Leben damals dem Kunsthandwerk widmeten“, ist Wolfsberger auch nachhaltig beeindruckt von dem Kraut-Lebenswerk, welches in der Öffentlichkeit viel mehr Bedeutung finden sollte. In ihren Aufzeichnungen fand Wolfsberger auch das Kraut-Zitat „Ich sehe mit fühlender Hand“, was dann für Wolfsberger und ihre Unterstützer dann auch das passende Motto der Sonderausstellung war. Die Sonderausstellung „Ich sehe mit fühlender Hand“ – Die Keramikerin Gertrud Kraut – wird am Sonntag, den 30. Oktober in Duingen um 15 Uhr im Töpfermuseum eröffnet. Die Ausstellung wird bis zum 5. März 2023 jeweils mittwochs und sonntags von 15 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung gezeigt. Der Eintritt ist dabei immer frei.
Foto9560: Verschiedene Kraut-Werke werden in Duingen ab 30. Oktober zu sehen sein
Foto9565: Ingrid Wolfsberger fiebert dem Beginn der Ausstellung entgegen, hier bei den Vorbereitungen
Foto9567: Noch heute ist an der ehemaligen Werkstatt von Gertrud Kraut in Duingen ein Hinweis auf die Töpfergeschichte sehbar
Foto9568: In diesem Duinger Anwesen hatte Gertrud Kraut ihre Werkstatt
Foto9588: Gertrud Kraut in ihrer Duinger Werkstatt, hinten rechts ist der Duinger Gustav Lampe zu sehen