Alpakas am Thüster Berg unterwegs
Haus der Möglichkeiten in Levedagsen weiter gut besucht
Levedagsen (gök). Wenn Wanderer über den Thüster Berg streifen, können sie künftig ungewöhnliche Geschöpfe treffen. „Schuld“ daran ist das Team vom „Haus der Möglichkeiten“, was am Fuße des Thüster Berges beheimatet ist. Dieses Jahr feiert das „Haus der Möglichkeiten“ schon seinen zehnten Geburtstag. 2013 hatte sich Tanja Schiller-Korn zusammen mit ihrem Lebensgefährten Andreas Honka einen Traum verwirklicht und einen kleinen Resthof in Levedagsen gekauft. Die studierte Kunsttherapeutin und der Erzieher wollten dort ihre eigenen Ideen entwickeln und mit Kursen sich selbst verwirklichen. In der Kunsttherapie hat die gebürtige Lauensteinerin schon viele verschiedene Methoden aus dem Bereich der Malerei, Graphik, Töpferei, Filzerei oder Bildhauerei angewandt und damit auch vielen Menschen geholfen.
Mit dem Kauf des Grundstückes in Levedagsen ergab sich aber auch die Möglichkeit, die Tierhaltung noch auszubauen. Schon immer war die Kunsttherapeutin begeistert von Tieren und hält seit Jahrzehnten auch selber Hunde. Mit dem Resthof kamen dann viele weitere Tiere dazu, an deren sich die Besucher des „Haus der Möglichkeiten“ – kurz „HadeMö“ immer wieder erfreuen. Im Frühjahr schaffte das Paar dann schließlich auch zwei Lamas und vier Alpakas an. Angedacht waren die Tiere vor allem als weiteres Angebot des HadeMö, um zur Ruhe zu kommen und sich zu entschleunigen.
In der Vergangenheit arbeitete Schiller-Korn aber auch schon viel mit Kindern und Jugendlichen, die etwa sexuellen Mißbrauch, Mißhandlungen oder Verlust von Elternteilen zu erleiden hatten. „Wir haben hier wirklich viel Leid vor der eigenen Haustür in unserer Region, was vielen Menschen gar nicht bewusst ist“, so Schiller-Korn im Gespräch. Die Lamas und Alpakas helfen auch bei der Arbeit mit diesen Personengruppen, da die Tiere auf jede Muskelbewegung achten und so die geringste Anspannung bei ihrem Gegenüber merken. „So wird den Menschen immer der Spiegel vorgehalten und diese gezwungen, sich mit sich zu beschäftigen und ihr Verhalten zu überdenken“, erklärt Schiller-Korn. Im Hauptjob arbeiten Schiller-Korn und Honka in einer Betreuungseinrichtung und betreiben das „HadeMö“ nebenberuflich. Um vielen Kindern und Jugendlichen Hilfe zu bieten, wurde schließlich auch der Förderverein beim HadeMö gegründet. Dieser übernimmt für die Haltung der Tiere viele Kosten und ermöglicht auch die Behandlung von Kindern und Jugendlichen, denen sonst oft aufgrund fehlender Therapieplätze nicht geholfen werden kann. Schiller-Korn hat mittlerweile über 20 Jahre Berufserfahrung in dem Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe, was durch die Erfahrung von Honka als zertifizierter Erlebnispädagoge, Traumapädagoge, Kletterpädagoge und Outdoortrainer optimal ergänzt wird.
Wichtig ist dem Paar, dass der Umgang mit Alpakas und Lamas im gegenseitigen Respekt vor dem Menschen und auch dem Tier erfolgt. So absolvierte Schiller-Korn auch eine Zertifizierung zur Lama- und alpakagestützten Therapeutin in Franken. Bevor der öffentliche Betrieb mit den Tieren durchgeführt wurde, stand auch die Prüfung durch das Veterinäramt des Landkreises an. „Hier bekamen wir dann auch grünes Licht und viel Lob, dass die Haltung so im Optimalfall aussieht“, ist Schiller-Korn stolz auf das Ergebnis. Der Umgang mit den Tieren bietet sonst auch einige Gesetzeslücken, worüber Schiller-Korn nicht glücklich ist. So kritisiert sie auch die Alpaka-Haltung in einigen anderen Einrichtungen, wo anscheinend das Geld im Vordergrund steht. Oft bekommen interessierte Besucher nur eine Einweisung und können dann schon alleine mit den Tieren auf Wanderung gehen. „Als verantwortungsbewusster Tierhalter würde ich meine Tiere mit Besuchern nie ohne Betreuung ziehen lassen. Ich finde das von anderen nicht sehr seriös und ob eine Einweisung für den Umgang mit den Tieren reicht, ist mehr als fraglich“, so Schiller-Korn. Leider werden die Tiere laut Schiller-Korn wegen ihrem „Niedlichkeitsfaktor“ derzeit generell sehr stark vermarktet und dabei oft versucht, das Veterinäramt zu umgehen. Familien lassen Besucher auf privater Basis etwa mit Alpakas gegen eine Spende wandern, was dann noch mehr Gefahren für Mensch und Tier in sich birgt. Wer generell an einer Alpaka-Wanderung interessiert ist, sollte laut der Kunsttherapeutin immer auf eine Zertifizierung und auch die artgerechte Haltung der Tiere achten.
Alpakas sind nicht die Kuscheltiere, als welche sie immer dargestellt werden. Zuviel kuscheln kann gefährlich werden, da die Tiere ihr Gegenüber dann nicht mehr als Mensch wahrnehmen könnten und die Rangordnung im Kampf neu regeln wollen. „Die großen Augen und das kuschelige Fell lösen aber immer das Kuschelhormon beim Menschen aus. Trotzdem muss man immer wachsam bleiben“, mahnt Schiller-Korn. Wenn das menschliche Gegenüber aber nicht entspannt und in Balance ist, geht das Alpaka sofort von der Person weg. Als Mensch muss man laut dem Paar einfach an sich arbeiten, wenn man auch von dem Tier profitieren will. Derzeit arbeitet Tanja Schiller-Korn mit einer Autistin und den Tieren zusammen, doch auch bei Burnouts oder Depressionen können die Tiere den Menschen sehr gut helfen. Für die Wanderungen hat das Paar am Thüster Berg eine Drei-Kilometer-Runde ausgearbeitet, die die Tiere nicht belastet und auch genügend Zeit lässt. Inklusive einer gründlichen Verhaltenserklärung dauert so eine Wanderung dann schon mal gut zwei Stunden, wobei bei dem Panorama am Thüster Berg mit Blick in das Saaletal schon die Wanderung ohne Tiere die Menschen laut der Kunsttherapeutin entschleunigen könnte.
Mittlerweile hat das „HadeMö“ mit www.hademoe.de auch eine eigene Homepage, auf der noch viele weitere Infos zum Angebot nachgelesen werden können. Dort sind neben den Kursangeboten auch schon einige Termine für Alpaka-Wanderungen enthalten, zu denen man sich anmelden kann.
Foto8864: Tanja Schiller-Korn mit einem ihrer beiden Lamas
Foto8866: Die Tiere genießen die optimalen Bedingungen in Levedagsen
Foto8869+8956+8981+8990: Die Tiere haben einen großen „Niedlichkeitsfaktor“
Foto8906: Bei Wanderungen wird dem Menschen durch das Tier der Spiegel vorgehalten