Ohne Mitwirkung geht es nicht
Vorstellung integriertes Quartierskonzept Wallensen/Thüste
Wallensen/Thüste (gök). Der Flecken Salzhemmendorf war vor drei, vier Jahren seiner Zeit schon voraus. Ohne den jetzt herrschenden gesetzlichen Druck machte sich die Verwaltung und der Rat schon damals Gedanken zu einem Klimaschutzkonzept während der Pandemie. „Wir fragten uns schon damals wie wir die Wärmewende schaffen“, so Gemeindebürgermeister Clemens Pommerening vor der Vorstellung des integrierten Quartierskonzept für Wallensen und Thüste in der Thüster Sporthalle. Rund 50 interessierte Bürger aus den beiden Orten waren zu der Veranstaltung gekommen und folgten den Worten von Volker Brockmann und Daniel Lange vom DSK Büro aus Düsseldorf aufmerksam.
Laut dem Büro ist es möglich, dass im Bereich Wallensen/Thüste eine regionale Wärmeversorgung entsteht. Allerdings erklärten Brockmann und Lange auch, dass die vollständige CO2-Reduzierung bis 2045 auf null unrealistisch ist. „Dafür müsste man Häuser abreißen und neu bauen“, war Brockmann ehrlich zu den Anwesenden. Ein gewisser Anteil Erdöl oder Gas wird auf Sicht immer benötigt, was auch mit dem Fahrzeugverkehr zu tun hat.
Brockmann gab einen Einblick in die Bestimmungen wie das Klimaschutzgesetz, das Gebäudeenergiegesetz und das Brennstoffemissionsgesetz. In Wallensen und Thüste haben diese Gesetze einen Einfluss auf die Entwicklung von 525 Wohngebäuden, 925 Nichtwohngebäuden, 940 Einwohner in Wallensen sowie 488 in Thüste. Das Planungsbüro hatte in den letzten Monaten viel Arbeit in ihre Präsentation gesteckt und mit Hilfe von Hochrechnungen sowie Infos von Energieversorgern oder Schornsteinfeger den Ist-Zustand der beiden Orte hinsichtlich der Bebauung ermittelt. Dabei wurden die Wohngebäude etwa hinsichtlich Fassade, Dämmung oder Dach analysiert, auch wenn die realen Daten vermutlich etwas schwanken. Brockmann und Daniel schätzen aber, dass im Mittelwert die Angaben passen. Aber auch die Situation des Fuß- und Radverkehrs oder die Pendelgewohnheiten der Bürger wurden in das Konzept mit einbezogen.
Derzeit gehen etwa 90 Prozent der produzierten Energie- und Treibhausgasbilanz auf das Konto des Wärme- und Verkehrssektors in den beiden Orten. Hinsichtlich des Photovoltaik-Potentials haben die beiden Orte aber noch große Möglichkeiten. Theoretisch könnten die vorhandenen Dachflächen das Quartier um das etwa 5,4-fache jährlich mit Strom versorgen. Mit Wärme wäre durch die Dachflächen immer noch eine 2,4-fache Versorgung möglich. Geothermie könnte ebenfalls genutzt werden, wobei in vielen Bereichen nach Einschätzung des Büros aber die Grundfläche nicht ausreichen würde.
Insgesamt wurden vier Varianten der Wärmeversorgung herausgearbeitet. Keine gemeinsame Versorgungslösung würde die Variante 0 beinhalten, wo auf jüngeren Gebäuden die Dachflächen eigenständig mit PV-Strom und Wärmepumpen auf eigene Kosten ausgerüstet werden. In Variante 1 könnte in Wallensen ein Wärmenetz mit Bezug zur Thermalquelle und einer zentralen Großwärmepumpe entstehen. Variante 2 in Thüste wäre unterteilt in eine Versorgung mit Biogas durch die Biogasanlage des Hof Block oder die Versorgung mit Warmwasser durch die Biogasanlage. Variante 3 wäre ein gemeinsames Wärmenetz von Wallensen und Thüste mit der Speisung von Biogas, der Thermalquelle und einer zentralen Großwärmepumpe. „Die Biogasanlage in Thüste würde alleine bei weitem nicht ausreichen“, so Brockmann. Ohne ein Wärmenutzungskonzept würde die Thüster Biogasanlage in wenigen Jahren schon an ihr Betriebsende kommen erklärte Brockmann auf Nachfrage.
Nicht verheimlicht hat Brockmann aber auch mögliche Kosten. Die geschätzten Investitionskosten liegen je nach Variante zwischen knapp 8,7 und knapp 17,9 Millionen Euro. Auch mit Förderung würden die Kosten immer noch zwischen 5,2 und 10,7 Millionen Euro liegen. Lösbar wäre so etwas mit einer Energiegenossenschaft, wo sich neben den Bürgern auch Energieversorger oder die Kommune einbringen könnten. Als Beispiel nannte Ortsbürgermeister Karl-Heinz Grießner (SPD) hier die Energiegenossenschaft in Adensen bei Nordstemmen. Dort entsteht auch ein regionales Wärmekonzept, von dem viele Bürger profitieren.
„Den Zeitfaktor haben wir selber in der Hand. Eine Chance wäre für so ein Projekt die kommende Dorfentwicklung für WOLT (Wallensen-Ockensen-Levedagsen-Thüste). In anderen Orten wie Benstorf/Oldendorf oder Lauenstein ist man jetzt aber dank bereits erfolgter Investitionen schon weiter als in Wallensen und Thüste“, so Grießner. Zu dem Thema wird es künftig noch weitere Einladungen zu Treffen geben, wobei der Weg laut Grießner nicht einfach werden wird. „Ohne die Mitwirkung der Bürger geht es aber nicht, das muss uns bewusst sein“, so Grießner abschließend. Selbst wenn der Startschuss in diesem Jahr erfolgen würde, könnte nach Einschätzung von Brockmann der erste Einwohner in Wallensen und Thüste erst in fünf bis sechs Jahren am Netz sein. Die Gemeinde ist zumindest verpflichtet, bis 2028 eine Wärmeleitplanung vorzulegen. Gesetzlich muss der Gebäudesektor in Deutschland in 22 Jahren klimaneutral sein, was laut Einschätzung von Brockmann nicht ohne Schmerzen umsetzbar sein wird. Die Gaspreise haben sich zuletzt nach dem Preisschock mit Beginn des Ukraine-Krieges wieder halbiert, doch steigende CO2-Preise werden die Energiekosten immer weiter erhöhen. „Die Daumenschrauben werden zukünftig vom Staat kräftig angezogen“, so Brockmann.
Foto: Rund 50 Einwohner waren zum Infoabend in Thüste erschienen
Foto: Die Biogasanlage in Thüste könnte viele Haushalte mit Wärme versorgen