Schweine wollen aufs Rittergut Limmer
Rettung der Nutztierarche in greifbarer Nähe / LEADER-Förderung beantragt
Capellenhagen/Elze/Alfeld (gök). In den letzten anderthalb Jahren jagte eine schlechte Nachricht die andere und oft waren Heike Haubrock und ihr Mann Heinrich Thielke der Verzweiflung nahe. Wie diese Zeitung berichtete wurde der Mietvertrag für die Nutztierarche „Swiensgaarn“ in Capellenhagen zum September diesen Jahres gekündigt. Quasi in letzter Sekunde gibt es jetzt eine Rettung in greifbarer Nähe.
Nachdem in der Vergangenheit alle Rettungsversuche und Hofkäufe oder Pachtungen gescheitert waren, sind die Verhandlungen jetzt weit fortgeschritten und erfolgsversprechend. Selber kaufen werden Haubrock und Thielke oder der Verein der Nutztierarche aber keinen Hof. Stattdessen wollen aber Jörg Steckelberg und Dr. Jacquelin Schult das Rittergut Limmer kaufen, die schon mit viel Erfolg den Gutshof in Barnten betreiben. Das Rittergut Limmer hatte im Frühjahr 2022 ein Ehepaar aus der Region Hannover für 375 000 Euro ersteigert, wobei dann aber in der Folge auf dem Gut nicht viel passierte. „Wir haben uns sofort in das Rittergut verliebt und schon einige Pläne für das Gelände“, verriet Steckelberg nach der vierten Sitzung der Lokalen Aktionsgruppe Leinebergland. An Ostern hatte sich das Paar das erste Mal das Gut angeguckt und bereits am 1. April die Kaufentscheidung getroffen. „Ich dachte erst noch, dass doch der 1. April ist und konnte es nicht glauben“, erinnert sich Haubrock zurück.
In der Sitzung der Aktionsgruppe Leinebergland hatte Verena Weduwen für den Verein Nutztierarche Swiensgaarn schließlich auch das LEADER-Projekt vorgestellt, über den die LAG zu entscheiden hatte. Ein erster LEADER-Antrag war nach dem zerplatzten Hofkauf in Capellenhagen vorher wieder zurückgezogen worden. Die Nutztierarche Swiensgaarn will nun als Pächter auf dem Rittergut die bedrohten Schweine halten, wozu man aufgrund der drohenden Kündigung zeitnah in Teilprojekten auf das Gelände in Limmer ziehen will. „Eigentlich wollten wir nur 50 Schweine unterbringen“, erklärte Weduwen augenzwinkernd, doch jetzt wird das ein großes Projekt.
Allerdings wird das Projekt in mehrere Schritte aufgeteilt. Im ersten Teilprojekt will man nach dem Kauf des Geländes Ställe mit einem Boxensystem errichten, die Ausläufe für die Schweine befestigen und einzäunen. Da das Haus derzeit noch nicht bewohnbar ist, soll zudem ein Tinyhouse für die Betreiber inklusive Hausanschlüsse sowie Hofladen und Vorbereitungsraum in einer Minimalversion entstehen. Für dieses erste Teilprojekt sind Kosten in Höhe von 115 000 Euro kalkuliert. Im zweiten Teilprojekt würde sich der Verein um die Denkmalsicherung kümmern. Hier wären etwa Schadensbehebungen an Dächern, ein Nutzungsänderungsantrag, Hausanschlüsse für Herren- und Gesindehaus sowie erste Grundsanierungsmaßnahmen am Gesindehaus geplant. Diese Maßnahme wäre mit 186 000 Euro kalkuliert.
Der Verein ist sich zwar der Aufgabe der Sanierung eines denkmalgeschützten Hauses im Überschwemmungsgebiet bewusst, will sich dem Projekt aber mit viel Begeisterung und Unterstützung aus dem Verein stellen. „In den letzten Monaten haben wir schon so viel Unterstützung erfahren und Hilfe angeboten bekommen, dafür sind wir sehr dankbar. Auch die Unterstützung der Behörden und der Stadt bei den bisherigen Gesprächen zum Rittergut war total toll“, ist Haubrock begeistert von der Entwicklung und der Unterstützung.
Die gesamte Gutsanlage mit 3,8 Hektar Fläche, vier Scheunen, Wiesen und drei Teichen soll jetzt zwar privat von Vereinsmitgliedern gekauft werden, doch der Verein Swiensgaarn soll dann als langjähriger Pächter davon profitieren und dadurch auch die alte Haustierrasse erhalten bleiben, deren Bestand ohne die Nutztierarche in fünf Jahren vermutlich nicht mehr vorhanden wäre. Auf dem Gelände soll aber noch mehr passieren, als nur die Zucht, der Erhalt und Vertrieb einer seltenen Schweinerasse. „Wir wollen dort auch Öffentlichkeitsarbeit für artgerechte Tierhaltung etwa für Schulklassen, Kindergartengruppen oder andere Gruppen leisten. Zusätzlich ist auch noch eine Fahrschule für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge und die Nutzung der Räumlichkeiten durch meine Lebensgefährtin Dr. Schult als Tierärztin geplant“, so Steckelberg in der Sitzung. Steckelberg erklärte in der Sitzung, dass die Finanzierung des Kaufes schon durchgeplant ist und die Verhandlungen dazu noch laufen.
Zwar sind die beiden genannten Teilprojekte erst die ersten von vielen, doch es ist ein ambitionierter Anfang. „Für das Projektvolumen von 301 000 Euro netto ist ein Fördersatz von 80 Prozent über LEADER möglich, was 240 800 Euro ausmacht“, erklärte die LAG-Vorsitzende Kirsten Greten bei den harten Fakten. Der stellvertretende Vorsitzende und Alfelder Bürgermeister Bernd Beushausen (SPD) begrüßt das Projekt außerordentlich. „Das Gut hat zuletzt sehr gelitten und entwickelt sich sonst zu einem Schandfleck. Wenn wir jetzt nicht handeln, bekommen wir auch ein riesiges Problem an dem Altstandort. Wir binden damit zwar sehr viel Geld, aber das ist ein tolles Vorhaben, was förderungswürdig ist“, bekannte Beushausen, der als betroffener Bürgermeister aber nicht abstimmte. Alle anderen LAG-Mitglieder stimmten aber für den Antrag, der nun offiziell als LEADER-Antrag gestellt wird. Es gibt aber den Vorbehalt, dass das Projekt nur unterstützt wird, wenn alle Genehmigungen für den Betrieb auch vorliegen. Etwaigen Bedenken von Anwohnern bezüglich einer Geruchsentwicklung durch die Schweine entgegnete Beushausen schon im Vorfeld, dass bei der Freiluftweidehaltung keine Geruchsbelästigung entsteht. Trotzdem soll auch in diesem Bereich mit Gutachten gearbeitet werden. Die Stadt Alfeld hält das Projekt auf jeden Fall für möglich und würde ein neues „Zentrum der Nachhaltigkeit“ auf dem Rittergut begrüßen. „Wir legen den Schwerpunkt dann auf landwirtschaftliche Ausbildung, das Gelände hat so viel Potential“, erklärte Steckelberg. Von den LAG-Mitgliedern erfuhr das Projekt nur Lob. „An der fehlenden Vision wird es nicht scheitern“, war auch Greten abschließend beeindruckt.
Foto0002: Alle LAG-Mitglieder stimmten für die Förderung von Swiensgaarn
Foto9948+9949: Das Rittergut Limmer soll wiederbelebt werden
Foto9987: Heike Haubrock, Verena Weduwen und Jörg Steckelberg stellten das Projekt vor