LEADER Frust statt Lust
Kulturvereinigung ärgert sich über Bürokratie
Wrisbergholzen (gök). Die alte Schule in Wrisbergholzen ist der Mittelpunkt des 300-Seelen-Ortes in der Gemeinde Sibbesse. Mit über 100 Mitgliedern betreibt die Kulturvereinigung Wrisbergholzen seit der Vereinsgründung 2009 als Dachverein im Ort das Dorfgemeinschaftshaus. Im Laufe der Jahre wurde das Gebäude von 1911 ausgebaut und war auch das erste Dorfgemeinschaftshaus in der Gemeinde. Das Leben pulsiert dabei in dem Haus, in dem pro Jahr rund 250 Nutzungen stattfinden. „Fast jeden Tag ist in dem Haus etwas los, sogar einen Luftgewehrstand gibt es in dem Haus“, berichtet Robert Leipert stolz im Gespräch.
Die Kulturvereinigung will das Haus dabei immer weiter entwickeln und hat in den letzten Jahren schon eine Küche, einen barrierefreien Zugang oder eine neue Toilettenanlage im Haus eingebaut. Seit 2022 trieb man auch das LEADER-Projekt zur Aufwertung des Geländes vom ehemaligen Schulhof an. Dort will der Verein einen öffentlichen Raum für Einheimische und Touristen schaffen. Dazu soll eine überdachte Fläche mit regensicheren Sitzmöglichkeiten, ein Backofen, eine Boule-Bahn und ein offener Kühlschrank für Touristen am Rastplatz entstehen. Das angestrebte LEADER-Projekt wird Leipert gefrustet aber nicht weiterverfolgen.
Bei der LAG-Sitzung in Elze erklärte Leipert jetzt, dass der Verein den LEADER-Antrag nicht weiter bearbeiten wird. Grund ist die langwierige Prozedur und für Leipert realitätsfremden Anforderungen für einen Verein. Eigentlich sollte das Projekt mit 13 613,44 Euro gefördert werden, doch das Geld will der Verein jetzt selber aufbringen. Auch in der Sitzung sparte er nicht mit Kritik an dem Bürokratiemonster, das bei LEADER nach seiner Einschätzung besonders zur Hochform aufläuft. „Welcome to our world“, bekannte auch Alfelds Bürgermeister Bernd Beushausen sarkastisch. Die Verantwortlichen lobten Leipert für seine offenen Worte und Mut, diese in der Sitzung zu äußern. Die Lokale Aktionsgruppe hatte in der Sitzung auch beschlossen, der Bundesarbeitsgemeinschaft der lokalen Aktionsgruppen beizutreten. Dadurch will man auch Bürokratieprobleme bundesweit bekannter machen und das Antragsverfahren in der Zukunft vielleicht sogar vereinfachen.
Es ist für die Kulturvereinigung besonders schade, dass das LEADER-Projekt durch Regularien so gehemmt wurde. Neben dem zunächst nicht komplizierten Bewerbungsbogen beim Regionsverein musste ein 24seitiger Antrag gestellt und eine Registrierungsnummer bei der Landwirtschaftskammer angefordert werden. Dazu wurden sechs Anlagen ausgefüllt, wobei Leipert kritisiert, dass der Inhalt mit dem eigentlichen Projekt oft gar nichts zu tun hatte. „Immer wieder gab es Nachfragen und wir sollten auf den Cent genau Daten bringen, was aber gar nicht möglich ist“, so Leipert im Gespräch. Schwer tat sich Leipert auch damit, die Eigenleistung des Vereins bis auf den Cent genau zu betiteln. „Das ist für Vereine schon sehr schwierig, auch wenn man wie ich in einer Behörde gearbeitet hat. Nicht jeder Arbeitsschritt kann vorher auch genau bemessen werden, wenn man nicht bei allen Arbeiten Erfahrungen vorweisen kann“, erklärt Leipert. Die Kraft und Geduld für solche Nachbesserungen sind nach fast zwei Jahren Büroarbeit jetzt zu Ende und der Senior sieht keinen Sinn mehr darin. „Wir wollen jetzt endlich mit dem Projekt anfangen. Am Anfang wurden wir für unser Engagement noch gelobt und der Verein war euphorisch aufgrund der Fördermittel. Dann wurden wir aber total ausgebremst, zumal Vereine bei LEADER auch benachteiligt werden. So benötigen kommunale Antragsteller keine Co-Finanzierung, Vereine aber schon“, bemängelt Leipert. Für kommunikativ schlecht hält Leipert auch den Umstand, dass es nach außen so aussieht, dass der Regionsverein über eine Förderung entscheidet. Dabei wird dort nur entschieden, ob ein Antrag förderungswürdig ist. Erst danach startet das eigentliche Antragsverfahren beim Amt für regionale Landesentwicklung in Hildesheim als zuständige Behörde. Ab dann ist der Antragsteller und auch der Regionsverein laut Leipert in einem kranken System gefangen. Für die Förderperiode von 2023 bis 2027 werden zwar 1,9 Millionen Euro Fördergelder zur Verfügung gestellt, wovon aber nur 1,4 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung stehen. Der Rest wird dann für das Regionalmanagement geblockt.
In Wrisbergholzen wurde durch Einwohner und Mitglieder immer wieder gefragt, wann das Projekt denn startet. Nach den Förderrichtlinien darf man aber vor der Genehmigung nicht anfangen, weshalb Antragsteller generell viel Geduld haben müssen. Kaum jemanden ist laut Leipert aber bewusst, wieviel Arbeit und Hindernisse hinter so einem Antrag stecken.
Jetzt hat Leipert in Absprache mit dem Vereinsvorstand aber den Schlussstrich gezogen und der Verein wird das Projekt ohne LEADER-Förderung vorantreiben. „Wir starten in den nächsten Tagen, da bei der Fortsetzung des Antragsverfahrens auch dieses Jahr wieder nichts passiert wäre“, so Leipert entschlossen. Knapp 30 000 Euro umfasst das komplette Projekt an Kosten, weshalb der Verein das Vorhaben jetzt aufgrund eigener begrenzter Mittel Stück für Stück in den nächsten Jahren umsetzt. Dieses Jahr ist zunächst das Vordach und nächstes Jahr dann die Boule-Bahn geplant, ehe es dann weitergehen soll. „Im Verein ist es ein tolles Miteinander und wir werden das schon schaffen. Die Entwicklung mit LEADER ist aber sehr bedauerlich“, erklärt Leipert, der jetzt aber nach vorne blicken will. Neben dem Projekt in Wrisbergholzen ist in der Vergangenheit auch schon ein Projekt in Almstedt aus ähnlichen Gründen abgesprungen.
Foto009: Robert Leipert erklärte in der Elzer LAG-Sitzung die Schwierigkeiten in so einem Antragsverfahren
Foto0065+0066: Die alte Schule in Wrisbergholzen hat die Kulturvereinigung zu einem beliebten Dorfmittelpunkt ausgebaut
Foto0069: In der Vergangenheit wurde auch ein barrierefreier Eingang eingebaut
Foto0070: Die Toilettenanlage hat die Kulturvereinigung in Eigenarbeit eingebaut
Foto0071: Mit der selbst gestalteten Küche können Veranstaltungen einfacher umgesetzt werden
Foto0072: Vor dem Nebengebäude soll dieses Jahr noch ein Vordach entstehen, wodurch der Platz für Veranstaltungen noch attraktiver wird