Rattenköder-Verbot ab 2026: Was auf Privathaushalte zukommt

Experten warnen vor einer Schädlingswelle / Privathaushalte ab 1. Januar betroffen

Leine-/Weserbergland (gök). Das Verbot zentraler Rattenbekämpfungsmittel ab Mitte 2026 wird erhebliche Konsequenzen für Privathaushalte, Kommunen und Lebensmittelbetriebe haben. Was bislang als technisches Detail im europäischen Zulassungsrecht erschien, entwickelt sich zunehmend zu einem Thema, das nahezu alle Bürger betreffen wird. Denn mit dem Ende der befallsunabhängigen Dauerbeköderung (BUD) sowie dem Verkaufsverbot klassischer Rodentizide an Privathaushalte verändert sich die gesamte Schädlingsbekämpfung in Deutschland grundlegend.

Der Schädlingsbekämpfer Levin Steinbach aus Sibbesse, seit vielen Jahren im Einsatz zwischen Harzer Vorland, Weserbergland und dem Raum Hannover, warnt vor den weitreichenden Folgen. Er rechnet bereits zum Ende des Jahres 2026 mit einem spürbaren Anstieg des Befallsdrucks durch Ratten. Ab 2027 erwartet er einen drastischen Anstieg der Populationen. Der Grund dafür liegt in einer EU-weiten Neubewertung antikoagulanter Rodentizide, deren Zulassungen am 30. Juni 2026 auslaufen und nur unter verschärften Bedingungen verlängert werden sollen. Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) hat diese Änderungen im Sommer 2024 erstmals öffentlich gemacht. Inzwischen ist klar, dass sogar Alternativpräparate, die zunächst nicht betroffen schienen, ebenfalls in das Verbot fallen werden.

Bislang wurden gerade lebensmittelverarbeitende Betriebe sowie deren Zulieferer präventiv beködert, um Hygieneschäden zu vermeiden und die Schadnagerbestände an den Quellen niedrig zu halten. Diese vorbeugende Dauerbeköderung wird ab Mitte 2026 vollständig untersagt. Künftig darf nur noch bei einem nachgewiesenen akuten Befall geködert werden und dies nur für einen begrenzten Zeitraum. Damit entfällt ein zentrales Instrument der Prävention. Besonders heikel ist das, weil genau diese Betriebe eine große Anziehungskraft auf Ratten haben. Ohne kontinuierliche Kontrolle drohen rasch wachsende Populationen, die sich von gewerblichen Standorten aus in umliegende Wohngebiete ausbreiten können.

Privathaushalte ab 1. Januar 2026 betroffen

Hinzu kommt eine weitere entscheidende Änderung: Rattengift wird ab 2026 nicht mehr an Personen ohne Sachkunde verkauft. Für Privathaushalte bedeutet das, dass sie Schädlingsbekämpfung künftig nicht mehr selbst vornehmen dürfen. Wer Ratten am Kompost, im Garten oder im Keller bemerkt, muss ab 1. Januar 2026 auf professionelle Hilfe zurückgreifen. Für viele Haushalte – ebenso wie für Kommunen und landwirtschaftliche Betriebe – ist das eine finanzielle und organisatorische Herausforderung. „Schon heute fehlt es in vielen Regionen an genügend Fachkräften. Verzögerungen bei der Bekämpfung könnten künftig zur Norm werden“, befürchtet Steinbach.

Ratten vermehren sich rasant. Alle sechs bis acht Wochen kommen sechs bis zehn Jungtiere zur Welt. Ohne präventive Maßnahmen entsteht so ein exponentielles Wachstum. Steinbach befürchtet, dass aus zunächst kleinen, lokal begrenzten Befallsherden sehr schnell großflächige Populationen entstehen könnten. „Der Aufwand, etablierte Befälle akut zu bekämpfen, ist deutlich höher als sie im Keim zu ersticken“, erklärt er. Je größer die Populationen werden, desto schwieriger und teurer wird der Kampf gegen sie – für Kommunen ebenso wie für private Haushalte.

Auch neue Technologien werden die Lücke nicht schließen können. Smart-Systeme, also sensorüberwachte Fallen- und Monitoringsysteme, haben sich in der Lebensmittelindustrie bewährt. Sie bieten besonders dann Vorteile, wenn klassische Köder aufgrund konkurrierender Nahrungsquellen weniger attraktiv sind. Doch diese Systeme sind im Außenbereich nicht zugelassen und bergen das Risiko, geschützte Arten zu erfassen. Damit können sie die bisherige Dauerbeköderung allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen. Das LAVES betont deshalb die Bedeutung von Prävention. Wer künftig Rattenbefall vermeiden möchte, muss stärker auf bauliche Sicherheit, Hygiene und sorgfältige Abfallwirtschaft achten. Müll muss konsequent verschlossen werden, Kompostbehälter müssen nagesicher sein und Tierfutter darf nicht frei zugänglich lagern. Schon kleine Versäumnisse können ausreichen, um Ratten anzulocken. Die Behörden warnen, dass die Bekämpfung im Ernstfall aufwendiger wird, da strengere Umweltauflagen gelten. Köder dürfen nur noch in manipulationssicheren Stationen und mit größerem Abstand zu Gewässern, Gräben und Kanälen eingesetzt werden.

Privathaushalten rät Steinbach, bereits jetzt ihre Versicherungspolicen zu prüfen. Schäden durch Ratten – von angefressenen Kabeln über kontaminierte Vorräte bis hin zu Gebäudeschäden – könnten künftig häufiger auftreten und teurer werden. Auch saisonale Schädlinge wie Wespen oder andere Insekten sollten in den Versicherungsumfang einbezogen werden, da Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen insgesamt kostspieliger werden dürften. Während Behörden und Politik auf eine Reduktion giftiger Chemikalien abzielen, bezweifelt Steinbach, dass die Rechnung aufgeht. In der Theorie lassen sich Befälle früh erkennen und schnell tilgen. In der Praxis jedoch, so sein Hinweis, fehlen oft Zeit, Personal oder finanzielle Mittel. Kommunen, Landwirte, Unternehmen und private Haushalte geraten damit zunehmend unter Druck.

Foto: Levin Steinbach arbeitet ein großes Gebiet von Harz bis Weserbergland und Hannover ab