Gegen das Vergessen auch in Salzhemmendorf
Kirche bemüht sich um Verlegung von Stolpersteinen im Flecken
Salzhemmendorf (gök). „Was ist ein Menschenleben wert?“, fragte Bernhard Gelderblom während der Info-Veranstaltung zu den geplanten Stolpersteinen im Salzhemmendorfer Gemeindehaus. Nach seinen Ausführungen wussten die rund 25 Anwesenden, dass das 1952 etwa 1543 DM waren. Denn so viel Geld bekamen die Nachkommen von Hannelore Zeckendorf aus Hemmendorf für den Tod des jungen jüdischen Mädchens während der NS-Zeit zugesprochen. Als ungelernte Hausangestellte im jüdischen Altersheim in Köln hatte die gebürtige Hemmendorferin nur ein Taschengeld bekommen. Aufgrund dieser beruflichen Grundlage legte die Wiedergutmachungskammer des Landgerichtes Hannover den Betrag dann fest, den die Nachkommen der betroffenen Menschen bekamen. Nicht selten haben aber Überlebende Angehörige insbesondere die „Entschädigung“ für ein durch Mord beendetes Leben als „Blutgeld“ und Demütigung abgelehnt.
Besonders in Hemmendorf lebten zu Beginn des Dritten Reiches noch verhältnismäßig viele Juden im Vergleich zu den anderen Orten im Flecken. Viele Menschen, ob im Flecken beheimatet oder anderswo, kennen die Jugendverfolgung nur aus Erzählungen oder aus der Schule. Der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom schaffte es in anderthalb Stunden, dass die Anwesenden plötzlich Gesichter vor Augen hatten. Vor rund 75 Jahren wurden Menschen in ihrer Nachbarschaft von der landwirtschaftlich geprägten Bevölkerung oft gegängelt und gemobbt. Jüdische Bürger verloren ihr Hab und Gut, wurden deportiert oder zur Auswanderung gezwungen.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit diesem Zitat begründet der Künstler Günter Demnig sein Projekt „Stolpersteine“. Es soll die Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur wach halten. „Stolpersteine rücken Erinnern und Gedenken in unsere Lebensmitte. Sie sind eine leise, aber zugleich sehr präzise Form des Gedenkens und des Erinnerns. Demnig hat mittlerweile in 1300 Orten über 50 000 Stolpersteine verlegt und auch schon in Hameln seine Spuren im Pflaster hinterlassen.
Nachdem der Rat des Fleckens Salzhemmendorf dem Antrag des Gemeindeverbandes Saaletal zugestimmt hat, sollen auch in den Ortschaften des Fleckens Salzhemmendorf „Stolpersteine“ verlegt werden. In den letzten Wochen gab es schon viel positive Resonanz und Zusagen von finanzieller Unterstützung. Nach dem Vortrag von Gelderblom hoffen Pastorin Sabine Ahlbrecht und Diakonin Andrea Gärtner auf weitere finanzielle Unterstützung. Die Kosten für einen Stein belaufen sich auf 120 Euro. Allerdings werden für die Steine auch Paten gesucht, die sich um die Steine kümmern, damit sie auch nach Jahren noch gut aussehen und eine würdige Erinnerung an die Menschen in den Orten darstellen.
Bis jetzt ist geplant, dass 18 Steine in Salzhemmendorf und Hemmendorf verlegt werden. Voraussichtlich im April 2016 sollen die Steine verlegt werden. Sabine Ahlbrecht ist sich sicher, dass bis dahin genügend finanzielle Unterstützung zusammenkommt. Für die Hälfte der Steine gibt es schon Spendenzusagen. Direkt nach dem Infoabend erklärten sich die ersten Anwesenden zur Übernahme von Kosten bereit. Die Patenschaft für Herstellung und Verlegung kostet 120 Euro pro Stein. Für die Pflege der Steine kommen nach Meinung von vielen Anwesenden keine Privatpersonen in Betracht. Vielmehr sollte die Verantwortung dafür auf Institutionen wie Parteien, Schulen oder sonstige Personengruppen übertragen werden. In Hameln etwa haben sich auch schon Jusos um die Pflege der Steine mit Essigessenz und Salz gekümmert, damit diese weiter gut erkennbar sind.
Passend zum Thema war dann auch das gemeinsame Lied zum Abschluss des Abends im Gemeindehaus. Auf Hebräisch wurde der Psalm 133 gesungen. „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, dass Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ Weitere Anfragen zur Finanzierung von Stolpersteinen beantworten Pastorin Sabine Ahlbrecht (Tel 05153-5370) und Diakonin Andrea Gärtner (Tel 05185-957682) gerne auf Anfrage.
Foto6083: Bernhard Gelderblom fesselte mit seinen Ausführungen zum jüdischen Leben im Flecken die Anwesenden
Foto6085: Auf das Schicksal der Familie Davidsohn aus Salzhemmendorf ging Gelderblom genauer ein
Foto6088+6090: So werden Inschriften auf den Stolpersteinen aussehen
Foto6094: Das jetzige Salzhemmendorfer Rathaus war früher ein jüdisches Kaufhaus