20161026_155246Stille auf dem Ebersnacken

Zeit zur Entspannung im Kloster Amelungsborn

Amelungsborn (gök). „Ich geh ins Kloster!“ „Wie, Du? Ins Kloster?“ „Ja, ich, aber nur für drei Tage!“ So oder so ähnlich gingen einige Gespräche von mir, bevor ich meine Sachen für drei Tage packen konnte. Gut, die Reise von Wallensen nach Amelungsborn ist nicht so weit und ich finde den Weg auch ohne Navi. Aber fast noch mehr als die Entspannung reizt mich das Thema Kloster. Was passiert dort? Laufen dort welche rum wie Sean Connery in der „Der Name der Rose“? Nein, so ist es nicht. Mönche sind hier, zumindest während meiner Anwesenheit, gar nicht vor Ort. Nachdem ich angekommen war, hatte ich mich gleich etwas informiert über das Kloster. Elfmal kommen die Klosterbewohner hier im Jahr zusammen und gehen sonst in ihren Heimatorten ganz normalen Berufen nach. Teilzeitmönche also, was es nicht alles gibt. Das war so ziemlich die erste Überraschung.

Im Vorbeifahren ist mir das Kloster schon oft aufgefallen, doch habe ich es nie hinein geschafft. Rein äußerlich sind die Gebäude geprägt von den roten Steinen, die wohl rund um Negenborn früher abgebaut wurden und an jedem zweiten Haus in der Region zu sehen sind. Die Chance beim Schopf ergriffen, meine Neugier zu befriedigen, habe ich dank meinem Arbeitgeber. Der dienstliche Pfarrer schrieb eine kirchliche Tagung im Kloster Amelungsborn aus, bei der man während der drei Tage zu sich finden soll und einmal abschalten kann. „Oasentage“ hört sich nach Ferien an, doch gibt es hier ein interessantes Programm, was man wahrnehmen kann.

Nachdem ich das einfache, aber völlig ausreichende, Zimmer bezogen hatte, fanden wir uns von mehreren Dienststellen zum Kennenlernen zusammen. Wie immer in Zusammenkünften bei einer Tagung, einem Lehrgang oder was auch immer, kennt man schon einige wenige oder lernt die anderen schnell kennen. Oft begegnet man auch Kollegen, die man sonst nur am Telefon spricht und noch nie in Natura gesehen hat. Das macht solche Treffen immer sehr spannend und meistens auch sehr amüsant. Dank dem auf Menschen zugehenden Pastor als Tagungsleiter und seinem freundlichen Mitarbeiter war die Runde gleich sehr locker und schon nach der Kennenlern-Runde öffneten sich einige relativ schnell. Was belastet einen auf der Arbeit? Wie geht man selber mit Stress um oder baut ihn ab? Wie baut sich Stress auf? Ich mache gerne Sport und powere mich bei Stress aus, auch wenn das in den letzten Monaten viel zu kurz gekommen ist. Da muss ich was ändern, das ist mir bewusst.

Mönche habe ich schon als Kind immer mit einem deutlichen Bauchumfang in Verbindung gebracht. Und hier stellt sich auch heraus, warum das so ist. Die Küchenengel zaubern hier umfangreiches Frühstück, Mittagessen, Kuchen und Abendbrot auf den Tisch, dass man immer wohl genährt und zufrieden seinen Platz nach dem Essen verlässt, wenn man denn noch gehen kann. Doch vor dem ersten Abendessen stand noch die Klosterrunde an. Unser Pastor zeigte und erklärte uns die zahlreichen Gebäude, wovon ich im „Brauhaus“ untergebracht war, was dann beim abendlichen Zusammenkommen als Thema noch einmal aufgenommen wurde. Imposant war auch der neue Kirchturm der riesigen Kirche, der erst vor wenigen Jahren komplett neu auf die Kirche gesetzt wurde, weil der alte Turm stark einsturzgefährdet war. Dass das aber eine Million Euro gekostet hat, sieht man nicht sofort. Die Kirche selber macht aber noch einen sehr soliden Eindruck und wird mich wohl bei weitem überleben. Ehe wir uns aber beim Feierabendbier noch besser kennenlernen konnten, war es Zeit für eine Gong-Meditation. Ich bin sehr offen gegenüber neuen Eindrücken und legte mich auf Wunsch unserer Gong-Spielerin in den Raum auf meine Iso-Matte und deckte mich ordentlich zu, so dass ich mich wie ein Baby im Bett fühlte. Entsprechend schnell wurden meine Augen auch schwer und ich glaube, ich war einige Zeit weg. Ganz leise fing das Gong-Spiel an und wurde immer lauter, ehe es zum Ende wieder leiser wurde. Nach der Meditation berichteten einige andere, was der Gong in ihnen bewegt habe und wie gut sie sich fühlen. Ich aber konnte nicht unterscheiden, ob ich mich nach einem kleinen Schläfchen oder aber nach einer Gong-Meditation anders fühle. Aber jeder Körper soll halt unterschiedlich darauf anspringen, meiner anscheinend kaum bis gar nicht. Aber wie gesagt, ich probiere ja gerne alles aus. Am Abend tauschten wir dann noch einige Anekdoten aus, ehe ich müde und Gong-geschafft zu Bett ging.

Der nächste Tag startete zu humaner Zeit mit einer kleinen Andacht in der riesigen Kirche, ja fast schon einer Kathedrale. Zwei Lieder und einen Psalm später genoss ich das reichhaltige Frühstück der Küchencrew, bis es mit dem Tagungsprogramm weiterging. Ein Mitarbeiter unseres Fortbildungszentrums diskutierte mit uns die Problematik Burnout und deren Ursachen. Bisher hatte ich zwar von dem Thema gehört, mich aber noch nicht damit beschäftigt. Jetzt weiß ich auch, dass Burnout nur ein Oberbegriff für viele verschiedene Krankheiten ist, die sich unterschiedlich darstellen. Ich habe für mich das Gefühl, dass ich selber eigentlich gut mit meinen Belastungen umgehe. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob ich mich mit dem Thema nochmal auseinandersetzen muss. Ich glaube, man kann schlecht prognostizieren, ob es einen mal erwischt oder nicht. Generell ist es aus meiner Sicht aber ein Problem, wenn aus den Menschen auf der Arbeit, egal wo, immer mehr rausgepresst wird. Dass das Folgen hat, dürfte jedem klar sein.

Nach dem Mittagessen – es gab fast NuGuGu, statt Nudeln, Gulasch, Gurke dann Gulasch mit Kartoffeln und Rotkohl (lecker) – stand eine weitere neue Erfahrung an. Unter dem Motto Zeit der Stille trafen wir uns zu einer Wanderung. Mit dem Auto fuhren wir nach Holenberg und wanderten auf den 460 Meter hohen Ebersnacken. Unterwegs – vielleicht nicht gerade bergauf dank konditionsbedingter Atemnot – hätte ich mich gerne mit meinen Mitwanderern über den tollen Indian Summer am Vogler ausgetauscht. Doch über das Farbenspiel durfte nicht gesprochen werden. Oben angekommen stiegen wir auch noch die 126 Stufen hinauf, was aber laut zwei Kollegen 127 Stufen sind. Zumindest der eine hätte gerne kundgetan, dass es 127 sind. Doch auch er durfte nicht reden.  Den Moment auf dem Turm mit dem Blick in die Ferne nahmen wir alle aber als was Besonderes war. Komischerweise war es total windstill und man hörte sozusagen nichts. Unten am Turmende wieder angekommen nahm man nur eine Kettensäge in weiterer Entfernung war. Als ich um den Turm herumguckte, stieg in mir ein aus der Kindheit bekannter Duft in die Nase. Die Eckstämme des Turms waren in Teer getränkt und rochen wie alte Telegraphen- oder Strommasten, die man früher noch vom Dorf kannte.

Auf dem Rückweg nach Holenberg kam sogar die Sonne etwas raus und schien durch das Blattwerk, was das Farbenspiel noch erhöhte. Doch ich durfte nicht darüber sprechen und versuchte es alleine zu genießen. An den Autos angekommen, machte ich dem Pastor in Zeichensprache klar, dass ich nach der rund Sechs-Kilometer-Wanderung noch einmal etwa zweieinhalb Kilometer dran hänge und zu Fuß zum Kloster zurückgehe. Eine Kollegin kam wohl auf dieselbe Idee, so dass wir uns zu zweit auf den Weg machten. Ausgemacht war eine Zeit der Stille bis 17 Uhr. Durch die Verlängerung der Wanderung hatte ich mir gedacht, dass für mich die Zeit bis zum Sprechen schneller rumgeht, wie es dann auch war. Schön war, dass man auf dem Fußweg das Klostergelände langsam erreichte und es anders wahrnahm. Ich guckte mir alle Gebäude genau an und ließ die imposante Erscheinung der Kirche auf mich wirken. Als der Pastor nach meiner Dusche in der Gruppe dann aber das vereinbarte Zeichen zum Ende der Stille gab, war ich erleichtert. Es war eine interessante Erfahrung, aber ich hätte lieber gesprochen während der Wanderung, was einige Kollegen nachvollziehen konnten.

Frisch gestärkt vom Abendessen – „überraschend“ wieder lecker – kam es vor dem abendlichen Zusammenkommen noch zu einer Taizé-Stunde. Taizé ist wohl in Frankreich entstanden, wo Mönche zusammen singen und abwechselnd Psalme sprechen. Ich fühle mich beim Singen in der Öffentlichkeit nicht wohl und finde, dass ich mich schrecklich anhöre. Aber ich probiere alles aus und ging natürlich in die Kirche, auch wenn es uns freigestellt war. Fazit nach der Taizé-Stunde: Auch Taizé ist nichts für mich. Also lieber schreiben statt singen. Da fühle ich mich deutlich wohler, auch wenn es nicht jedem gefallen muss. Auch an diesem Abend tauschten wir dann erheitert durch einheimisches Brauerzeugnis wieder viele Anekdoten aus, ehe das Bettchen wieder rief.

Nachdem ich nach der zweiten Nacht zunächst meine Sachen gepackt hatte, stand zunächst wieder eine kurze Andacht an, ehe wir uns wieder beim Frühstück stärken durften. In lockerer Atmosphäre diskutierten wird dann das Thema Zeit. Warum rennt sie in der Jugend gefühlt langsamer? Haben wir in unserem Alter überhaupt noch Langeweile? Ich persönlich kann mich nicht zurückerinnern, wann ich das letzte Mal Langeweile hatte. Finde ich aber auch nicht so schlimm. Ich lasse zwar mal die Seele baumeln, doch Langeweile ist das nicht. Nachdem wir unsere Zunge gelockert hatten, hatten wir noch einige Zeit zur freien Verfügung. Dies nutzte ich dazu, das Hinterland vom Kloster etwas kennenzulernen. Auf dem Weg fand ich einen Fliegenpilz, den schon einen Kollege am Vortag beschrieben hatte. So schön habe ich ihn noch nicht einmal in einem Buch gesehen. Der angrenzende Mühlenteich – laut Infotafel von Menschen angelegt – erinnerte mich eher Herr der Ringe. Ein kahler Baum in der Mitte, Entengrütze und bunte Herbstfarben. Hier hatte ich alleine auch nicht das Bedürfnis zu sprechen. Doch nach dem Mittagessen war die Zeit des Abschieds gekommen. Große Veränderungen konnte ich dem Pastor beim Abschlussgespräch auch nicht vorschlagen. Ich fand es besonders angenehm, dass alle Angebote nicht angenommen werden mussten, um wieder runterzukommen. Jeder wie er möchte, aber ich probiere halt alles auch gerne aus.

Fazit des Kurz-Abenteuers Kloster: Dank meinem Arbeitgeber konnte ich mir das mal verwirklichen und habe weitestgehend ohne Handy und Erreichbarkeit gelebt. Man überlebt sogar und wird vielleicht etwas geerdet. Einige Sachen nehme ich auf jeden Fall mit und bereue es nicht, wenn auch nur für kurze Zeit, ins Kloster gegangen zu sein. Ich kann es Euch empfehlen. Wenn man die Gelegenheit hat, sollte man es tun.

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