20161107_113355Fachkräftemangel auf dem Dorf längst präsent

Besonders im Handwerk sind Arbeitskräfte gefragt

Marienhagen/Wallensen (gök). Wenn in überregionalen Medien von Fachkräftemangel geredet oder geschrieben wird, ist oft von der IT-Branche oder der Industrie die Rede. Doch Fachkräftemangel gibt es auch schon auf dem Dorf. In der Fleischerei Nerjes etwa sucht Karsten Nerjes nun schon seit Monaten eine Fleischereifachverkäuferin oder zumindest eine Verkäuferin für eine seiner Filialen in Marienhagen, Duingen oder Wallensen. In seiner Not hat der Schlachtermeister schon Suchaktionen über seinen privaten Facebookaccount gestartet, doch der Erfolg ist gleich null. “Es hat keiner schriftlich reagiert oder zumindest mal angerufen”, zieht Nerjes ein negatives Fazit seiner bisherigen Aktionen. In den letzten Jahren kam er meist durch Zufall oder Mund-zu-Mund-Propaganda zu neuen Angestellten, die er nicht mehr missen will. “Für meine Mitarbeiter bin ich sehr dankbar. Die sind sehr flexibel, was in einem kleinen Betrieb mit dem Stammgeschäft in Marienhagen und zwei Filialen in der Region sehr wichtig ist”, so Nerjes.

In seinem Betrieb gibt es neben einer normalen Bezahlung auch sehr gute Arbeitszeiten, die nach seiner Meinung deutlich attraktiver sind als im Einzelhandel. Auch der Beruf der Fleischereifachverkäuferin ist sehr vielseitig, da es nicht nur um den Verkauf geht, sondern man sich auch bei den Zubereitungen persönlich ausleben kann. Aufgrund der Größe seines Betriebes und der Rahmenbedingungen ist es ihm leider nicht möglich selber auszubilden. Die Agentur für Arbeit vermittelt dem Fleischereimeister Arbeitssuchende im größeren Umkreis. “Doch es ist einfach unrealistisch, wenn man meint, dass Arbeitssuchende für eine Verkaufsstelle 60 Kilometer Fahrtweg einfache Strecke in Kauf nehmen. Ich habe vom Arbeitsamt schon Arbeitssuchende aus Einbeck oder Northeim vermittelt bekommen. Das hat dann meist nicht lange gedauert und die Stelle war wieder frei oder wurde gar nicht besetzt”, erklärt Nerjes im Gespräch.

“So wie mir, geht es vielen Handwerksbetrieben auf dem Land. Irgendwann muss man beim Handwerker auch eine Nummer ziehen und hoffen, dass man zeitnah seinen Auftrag erfüllt bekommt”, ist sich der Marienhagener sicher.

So schlecht der Arbeitsmarkt für Arbeitgeber ist, so viel besser ist er für Arbeitnehmer. Die Arbeitslosigkeit sinkt immer weiter. Im Oktober waren in Niedersachsen etwa 243 183 Männer und Frauen arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum September ist die Quote um fast zwei Prozent gesunken. Die Arbeitslosenquote liegt niedersachsenweit bei 5,8. Die Quote wäre vermutlich noch geringer, wenn sich nicht noch viele geflüchtete Menschen arbeitslos gemeldet hätten. Die Zahl der freien Stellen ist dagegen weiter gestiegen. Insgesamt gibt es über 65 000 offene Stellen in Niedersachsen, die auf eine Besetzung warten. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um fast 12 Prozent. Zuletzt stieg der Arbeitskräftebedarf insbesondere in der Gastronomie, im Handel, Baugewerbe und in der Zeitarbeit an. Die Arbeitslosenquote in den Landkreisen Holzminden, Hameln-Pyrmont und Hildesheim liegen alle über der niedersachsenweiten Quote und nicht weit auseinander. Am besten sieht es noch in Hildesheim aus, wo im Oktober 6,5 Prozent arbeitslos gemeldet waren. Auf den Plätzen folgen Hameln-Pyrmont mit 6,6 und Holzminden mit 6,7 Prozent. Trauriger Spitzenreiter in Niedersachsen ist die Stadt Wilhelmshaven, wo 11,7 Prozent arbeitslos gemeldet sind. Die größte Beschäftigung gibt es im Emsland, wo nur 3,3 Prozent arbeitslos gemeldet sind.

Damit die Schüler sich nicht für die falsche Ausbildung bewerben und nach dieser später auch möglichst in dem Beruf weiterarbeiten, hat die Industrie- und Handelskammer schon einige Projekte gestartet. Derzeit gibt es etwa das Programm “ihr gewinnt”, wo junge Auszubildende im zweiten Lehrjahr an die Schulen gehen und von ihren Erfahrungen berichten. Interessant ist vor allem für die Schüler, wie der Alltag in der Ausbildung aussieht und was es für Perspektiven gibt. Über Youtube hat die IHK auch kurze Videos in dem Programm eingestellt, wo sich die Schüler zeitgemäß informieren können.

 

Foto: Karsten Nerjes hofft, dass er für seine Fleischtheke immer eine Verkäuferin hat