2017_01_13_Vortrag 96 Archivar BPOL_9999_3Historischer Streifzug durch die Fußballgeschichte von Hannover und Braunschweig

Hannover 96-Archivar und Bundespolizist erklären derzeitige Rivalität und Hass

Wallensen (gök). Für viele Besucher im Vereinsheim des SV Weenzen-Thüste-Wallensen – kurz WTW – war die Sache eigentlich klar. Aus ihrer Sicht hat die Rivalität der Fangruppen von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig ihren Ursprung in der Gründung der Bundesliga, wo Braunschweig vor Hannover 1963 den Vorzug erhielt oder aber noch früher wegen Rivalitäten des einstigen Herzogtums Braunschweigs und des Königreichs Hannover. Umso überraschter waren die rund 20 Teilnehmer des ersten Ostkreis-Talks im Thüster Vereinsheim, als der Archivar von Hannover 96 – Sebastian Kurbach – eine sportliche Rivalität in den sechziger Jahren zwischen den beiden Vereinen aufgrund der vorliegenden Dokumente sicher ausschloss. Zusammen mit Gerd Kolattek, Fankundiger Beamter der Bundespolizei, versuchte er die Rivalität der beiden Vereine zu erklären.

2017_01_13_Vortrag 96 Archivar BPOL_9999_1Sämtliche Archivunterlagen belegten, dass beide Vereine in den frühen Jahren der Bundesliga sportlich fair miteinander umgingen und sich sogar unterstützten. Beispielsweise wurde sogar ein Benefizspiel für den bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Braunschweig-Spieler Jürgen Moll Ende der sechziger Jahre zusammen veranstaltet und die Einnahmen den verwaisten Kindern von Moll und seiner ebenfalls verunglückten Ehefrau gespendet. Erstmals sportlich brisant wurde es beim „Wunder von Wuppertal“, als Hannover durch einen kaum erhofften Auswärtssieg bei den heimstarken Wuppertalern den Abstieg aus der Bundesliga in der Saison 1972/73 verhinderte, weil zeitgleich Braunschweig Zuhause gegen Düsseldorf verlor. Richtige Fanrivalität entstand aber erst in den achtziger Jahren durch sogenannte Kuttenträger und Hooligangruppen, wobei dort die Hooligangruppen aber noch andere Vereine als Schwerpunkt in ihren Erinnerungen nannten. Erster Hass zwischen den Fangruppen wurde öffentlich groß ausgetragen, als die beiden Mannschaften in den neunziger Jahren die Klingen kreuzten und zeitweise auch die Regionalliga dominierten und gegeneinander um den Aufstieg in die 2. Liga kämpften.

Mittlerweile sind immer Großaufgebote von Polizei und Ordnungsdiensten notwendig, um bei diesen Hochrisikospielen für Sicherheit zu sorgen. Erst im letzten Jahr wurden am Vorabend des Derbys bei Hildesheim rund 170 vermeintliche Fußballfans von Hannover 96 von der Polizei festgesetzt, weil diese sich vermutlich zu einer Schlägerei mit Braunschweig-Fans verabredet hatten. Gebannt verfolgten die Besucher des Vortrages die Ausführungen der beiden Vortragenden und stellten auch einige Fragen zu der Arbeit der beiden. Das Archiv von Hannover 96 war eines der ersten im deutschen Profifußball, das sich professionell mit seiner eigenen Geschichte befasste und mit Sebastian Kurbach einen hauptberuflichen Archivar beschäftigt. Kurbach hatte auch einige Raritäten aus der Geschichte des Vereins aus der Landeshauptstadt im Gepäck, die die Teilnehmer bewundernd begutachteten. Seltene Fotos von Auswärtsfahrten sogenannter Kuttenträger aus den siebziger Jahren oder Dokumente über das erste Aufeinandertreffen von Eintracht Braunschweig und Hannover 96 1900 in Braunschweig drei Jahre vor der Gründung des DFB sorgten für fesselnde Momente in Thüste. Nach dem klaren 11:1 für Braunschweig verbrachten die Mannschaften damals noch einige Zeit zusammen und feierten ihre Zusammenkunft. Heute kann man sich das nach einem Aufeinandertreffen der Mannschaften kaum noch vorstellen.

Gebannt nahmen die Besucher auch die Erzählungen auf, die der Bundespolizist Gerd Kolattek im Gepäck hatte. Von wartenden Braunschweigern auf einem Bahnhof bei Braunschweig, weil Hannoveraner mit dem Zug durch Braunschweiger Land fuhren und die Polizei heftige Ausschreitungen nur knapp verhindern konnte. Anderthalb Stunden vergingen für die Besucher wie im Flug und schnell stand fest, dass gerne wieder so ein Vortragsabend im Ostkreis stattfinden kann. Auch der anwesende Vorsitzende des MTV Lauenstein, Michael Quant, kann sich das sehr gut vorstellen, wobei man natürlich auch einen interessanten Gesprächspartner für den Abend dann finden muss. Bei dem anschließenden Spanferkelessen wurden selber noch gegenseitige Anekdoten ausgetauscht, so dass auch die Geselligkeit an diesem informativen Abend im Mittelpunkt stand.

Organisator Christian Göke zog so auch ein positives Fazit des Abends, obwohl bei 20 Teilnehmern noch etwas mehr Teilnehmer den Weg nach Thüste hätten finden können. Bewusst wurde die Veranstaltung zusammen vom WTW Wallensen, Blau-Weiß Salzhemmendorf, den Sportfreunden Osterwald und dem MTV Lauenstein angedacht, wobei dieses Mal die Organisation beim WTW Wallensen lag. „Die Anwesenden haben den Abend genossen, weshalb wir Sebastian Kurbach und Gerd Kolattek für diesen Vortrag auch sehr dankbar sind“, so der Organisator. Besonders angetan waren die Anwesenden von den historischen und interessanten Fakten von Kurbach und den Einblicken in den Polizeialltag, wo Kolattek erklärte, dass auch viele Polizeibeamte, anders als oft behauptet, oft ein Faible für Fußballfankultur haben. Nichts desto trotz müssen Straftaten einfach verfolgt werden, weshalb das Verhältnis zwischen Polizei und gewalttätigen, sogenannten „Fans“ immer schwierig bleiben wird. Einig waren sich alle Anwesenden, dass die Masse der Fans einfach die Stimmung beim Fußball genießen möchte und Gewalt dabei nichts zu suchen hat.

 

 

Foto1: Rund 20 Teilnehmer wollten sich den interessanten Abend im WTW-Vereinsheim nicht entgehen lassen

Foto3: Gerd Kolattek und Sebastian Kurbach brachten den Anwesenden die Historie der Vereine näher