2017_01_02_wallensen_9999_3Sieben Feuerkatastrophen brachten viel Leid

Brände verhinderten größeres Wachstum von Wallensen

Wallensen (gök). Fünf Jahre noch, dann feiert die Wallenser Feuerwehr ihr 100jähriges Jubiläum. Seit fast nun 100 Jahren sorgen die Kameraden der Wallenser Feuerwehr für die Sicherheit der Wallenser Bürger. Vor der Gründung der Feuerwehr sorgten sich die Menschen in dem kleinen Ort noch viel mehr um ihr Hab und Gut. Und in früheren Zeiten hatten sie allen Grund dazu. Denn Wallensen hat eine bewegte Geschichte, die von viel Leid geprägt war.

Laut der Chronik des Amtes Lauenstein ist Wallensen der älteste Flecken im damaligen Amte Lauenstein. In dem Schenkungs-Brief Kayser Heinrich IV. aus dem Jahr 1068 wird Wallensen noch Walehuson genannt. Wann die Homburger in den Besitz von Wallensen gelangt sind, ist nicht überliefert. Sie werden 1295 zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Ort erwähnt. Da Siegfried von Homburg dem Ort 1351 Stadtrechte verlieh, muss Wallensen schon längere Zeit in seinem Besitz gewesen sein und eine gewisse Bedeutung erlangt haben. 1380 wird es als Stadt zusammen mit den beiden anderen homburgischen Städten Bodenwerder und Stadtoldendorf aufgeführt. Die Grafen von Homburg haben Wallensen im Laufe der Zeit mit einem Graben, Wallen und Mauern umgeben lassen. Hiervor zeugen jetzt noch Überreste der Stadtmauer im Ortskern.

2017_01_02_wallensen_9999_1 2017_01_02_wallensen_9999_5 2017_01_02_wallensen_9999_9 2017_01_02_wallensen_9999_11Wallensen entwickelte sich zu einer kleinen Stadt und profitierte von seinen zahlreichen verliehenen Privilegien, die durch Herzog Erich I. 1525 später noch einmal bestätigt wurden. Doch vorher im 15. Jahrhundert hatten die Menschen in Wallensen noch einiges Leid zu ertragen. Allein zwischen 1435 und 1617 hatte Wallensen fünf große Brände zu überstehen. Diese Katastrophen sind neben dem Schwinden der Dynastenmacht die Ursache für die immer mehr abnehmende Bedeutung Wallensen. Im Jahr 1525 wurde Wallensen durch Herzog Erich I. bereits wieder als „Bleck“ – gleichbedeutend mit einem Flecken – benannt.

Obwohl Wallensen zu den homburgischen Städten zählte und urkundlich 1467 auch so noch bezeichnet wurde, zählte der Ort schon 1400 zu den 40 Lauensteiner Amtsorten. Das lässt auf eine anscheinend von vornherein geminderte Rechtsstellung des verkehrsfern gelegenen Ortes schließen. Wechselnde Landesherrschaften durch die sich immer wieder verschiebenden Grenzen, die ungesicherte Muldenlage sowie die verheerenden Katastrophen schwächten den Ort immer mehr und ließen die Bevölkerungszahl gegen 1500 um mehr als zwei Drittel sinken.

Das Leid der Menschen in dem kleinen Ort begann in der Spiegelberger Fehde 1435, als das Städtchen durch die Grafen von Spiegelberg in Brand geschossen wurde. Alle Häuser und auch die Kirche brannten komplett nieder. Brände waren in den eng gebauten Siedlungen mit ihren Strohdächern aber nicht die einzige Gefahr. Schon zwei Jahre später sorgte eine Viehseuche dafür, dass das komplette Vieh im Ort verstarb. Trotz des verheerenden Brandes erschien Wallensen in Urkunden aus der Zeit noch als Stadt, doch 1487 brannte die Stadt noch einmal komplett nieder, wenn auch dieses Mal vermutlich keine Feindbelagerung, sondern ein anderes Unglück dafür verantwortlich war. Auch im 16. Jahrhundert wurde der Ort zweimal ein Raub der Flammen. Nachdem 1533 der Ort abgebrannt war, zog man knapp 50 Jahre später nach einem neuen Brand erstmals Konsequenzen. 1582 entstand während der Osterfeiertage am 16. April bei nachtschlafender Zeit ein Feuer, welches schnell die Oberhand gewann und den Ort abermals dem Erdboden gleichmachte. Auch drei Jahre später wohnten noch viele abgebrannte Familien in Buden und Hütten an der Stadtmauer.

1585 und 1586 begann schließlich der Wiederaufbau von Wallensen. Die Siedlungsfläche des Ortes wurde erstmals auf das nördliche Saale-Ufer im Bereich der jetzigen Angerstraße ausgedehnt, wo heute noch die damalige Ansiedlung anhand von Jahreszahlen an Häusern erkennbar ist. Die Gesamtanzahl der Feuerstellen durfte sich dabei aber nicht erhöhen. Aufgrund der 43 Feuerstellen geht man heute davon aus, dass die Einwohnerzahl damals um die 300 Personen lag. Die nächste Feuerkatastrophe ließ aber nicht viele Jahre auf sich warten. Am 23. Oktober 1617 brannte der Ort innerhalb von nur anderthalb Stunden erneut komplett ab. Bis auf die Kirche blieb nicht ein Gebäude stehen. Zum Wiederaufbau war es den Wallenser Bürgern erlaubt worden, Eichen- und Fichtenbalken im Solling zu schlagen. Dass es aber vor 400 Jahren fast eine Tagesreise in den Solling war, war wohl damals nicht jedem Herrscher bewusst. Nach einem Einspruch durfte das dringend benötigte Holz schließlich in heimischen Wäldern geschlagen werden. Nach diesem Brand wurde auf Betreiben des Wallenser Predigers Ludolphus Heisius in Wallensen später die „Brandfeyer“ verfügt, die jährlich am Donnerstag nach Galli begangen wurde.

In den rund 950 Jahren Wallenser Geschichte war der Brand 1617 aber besonders schlimm, da ab 1618 der 30jährige Krieg folgte und ständig Kriegstruppen unterwegs waren, die gerne auch kleine Orte plünderten und so das Leid vor Ort deutlich erhöhten. 1629 etwa lagen zwei Kompanien längere Zeit in dem Ort und belasteten das Leben vor Ort sehr. 1640 gab es auch Einquartierungen von schwedischen Truppen, so dass die Menschen das Ende des 30jährigen Krieges herbeisehnten.

Zu den fünf großen Bränden kamen im 18. Jahrhundert schließlich zwei weitere. Nachdem ein Großbrand 1736 für Verwüstung gesorgt hatte, wurde beim letzten großen Brand 1776 auch die Kirche in Mitleidenschaft gezogen. Danach entstand das jetzige Aussehen der Kirche, die nach dem Brand ihre jetzige noch vorhandene Haube auf den Turm bekam.

Bereits 2010 hatte die Autorin Tanja Flügel viele historische Fakten wie die Brände von Wallensen in ihrem Roman Marthe verarbeitet, der später auch mit einzelnen szenischen Lesungen unter großem Interesse in der Wallensen Kirche aufgeführt wurde. Seine ursprüngliche große Bedeutung konnte Wallensen nie wieder erlangen, auch wenn die Einwohnerzahl nach den sieben großen Bränden wieder konstant stieg und nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Flüchtenden aus den Ostgebieten ihre größte Ausdehnung erlangte.

Der große Brand von 1617 jährt sich dieses Jahr zum vierhundertsten Mal, weshalb der Verein DorfKulTour noch einige kulturelle Veranstaltungen plant. In Wallensen erinnert nicht nur der Gedenkstein an der Kirche an die Verleihung der Stadtrechte 1351. Auch die schlimmen Ereignisse wie die Brände werden durch verschiedene Aktionen von DorfKulTour wieder in Erinnerung gerufen. Vergangenes Jahr hatte Wanderführer Heinrich Meier an den 399. Jahrestag des Brandes von 1617 mit einer Wanderung inklusive Fackelzug durch die Jugendfeuerwehr erinnert, deren große Feuerwehrkameraden sich heute darum kümmern, dass solche Feuerkatastrophen nicht wieder passieren.

 

Foto1: In der jetzigen Angerstraße ist noch zu erkennen, wann die Häuser dort gebaut wurden

Foto3: Nach dem letzten großen Brand 1776 bekam die Wallenser Kirche ihr jetziges Aussehen

Foto4,5: In Wallensen sind noch Reste der Stadtmauer zu finden – hier hinter dem Haus an der Stadtmauer im Mühlenwall

Foto9: Karte der Diözese Hildesheim

Foto11: Wallensen Katasterkarte 1875