Die Luther-Bibel aus Coppengrave

Neues Testament durch weit über 50 Schreiber handschriftlich abgeschrieben

Coppengrave (gök). Für viele Menschen ist das heute kaum noch vorstellbar. Innerhalb weniger Wochen hatte Martin Luther inkognito als Junker Jörg die Bibel 1521 nicht nur abgeschrieben, sondern auch aus dem griechischem und lateinischen in deutsche übersetzt und so den Grundstock für die heutige deutsche Schrift gelegt. Das Buch fand damals einen so großen Absatz, dass es 1525 schon jedem dritten lesekundigen Deutschen als „Luther-Bibel“ zugängig war. 

2017 feierte die evangelische Kirche den 500. Jahrestag der Reformation mit dem sogenannten Luther-Jahr, wozu sich auch der Kirchenvorstand von Coppengrave mit einbrachte. In der Vergangenheit war der Kirchenvorstand schon einige Male recht kreativ aufgefallen und auch zum Lutherjahr entstand im Kirchenvorstand eine ungewöhnliche Idee. Nach dem Beispiel von Martin Luther wollte man die Bibel handschriftlich abschreiben. „Wir wurden dann aber realistisch und wollten so nur das Neue Testament abschreiben“, berichtete Organisator Jürgen Woscholski. Menschen aus Coppengrave und Region konnten sich melden, wenn jeweils ein Teil übernommen werden wollte. Weit über 50 Schreiber auch aus Süddeutschland oder den Nachbarkreisen Holzminden und Hameln-Pyrmont meldeten sich, um die 270 Kapitel des Neuen Testaments abzuschreiben. Dazu wurde Papier verteilt oder auch eigenes Papier genommen, was später dann in der gebundenen Version auch zu leichten aber authentischen Farbunterschieden führte.

„Wenn man selber handschriftlich die Texte abschreibt, wird man sich erst der Leistung von Luther bewusst. Wir haben schließlich anderthalb Jahre dafür gebraucht“, zeigte sich Peter Woscholski im Gespräch immer noch beeindruckt von der Leistung Luthers. Allerdings war der Kirchenvorstand in der Zwischenzeit auch immer wieder bei anderen Aktionen gefordert, so dass man sich nicht die ganze Zeit auf die Abschrift konzentrieren konnte. Im Dezember 2016 startete die Aktion und im Juni 2018 wurde das Projekt vom Kirchenvorstand beendet. Von einem kleinen Kreis von Freiwilligen aus dem Kirchenvorstand wurden dann die verbliebenen 20 Kapitel noch abgeschrieben, so dass das Endergebnis im August 2018 zusammengetragen wurde. „Einige Schreiber brauchten natürlich etwas länger, doch darauf kam es auch nicht an. Bei konzentrierter Arbeit benötigt man etwa zwei, drei Stunden für ein Kapitel“, erklärt Woscholski den Aufwand. Besonders fleißig war Hermann Kohrs aus Grave im Kreis Holzminden, der gleich 63 Kapitel abgeschrieben hat und im feierlichen Gottesdienst zur Übergabe der Luther-Bibel besonders hervorgehoben wurde. Bei der Abschrift wurden viele Schreiber schnell vom Ehrgeiz gepackt und wollten entsprechende Streichungen oder Schmierungen auf dem Blatt bei den Abschriften verhindern. So warf Woscholski auch einige Blätter in den Papierkorb, wenn denn schon am Anfang Fehler bei der Abschrift passierten. „Schließlich handelt es sich um ein Original, was auch gut aussehen soll“, so Woscholski. Im Band eins der Bibel sind jetzt die vier Evangelien und in Band zwei der Luther-Bibel aus Coppengrave der Rest des Neuen Testaments enthalten.

Mit der Buchbindemeisterin Monika Bertram fand Woscholski eine Expertin, die schon ähnliche Projekte durchgeführt hat und über die entsprechende Erfahrung verfügt. Aufgrund der über 900 vorhandenen Seiten wurde darauf verzichtet, nur einen Band zu fertigen. „Dieser wäre laut Monika Bertram sehr unstabil geworden und wir wollen ja noch länger davon etwas haben“, so Woscholski. Die zwei Bände sind dabei in hochwertiges Oasenziegenleder gebunden worden, welches aufgrund seiner großen Haltbarkeit eines der beliebtesten Bucheinbandleder überhaupt ist. Einem anonym bleibenden Spender ist es zu verdanken, dass die Coppengräver Bibel in zwei Bänden jetzt feierlich bei einem Gottesdienst in Coppengrave übergeben werden konnte, da dieser die Kosten übernommen hat. Thorsten Lehmann aus Coppengrave fertigte dazu noch einen Stempel, mit dem die Luther-Rose in den Bibeln eingeprägt werden konnte. 

Pastor Dr. Cornelius Meisiek leitete den feierlichen Gottesdienst und freut sich mit den Anwesenden in der vollbesetzten Franziskuskirche, dass das handschriftliche Werk nun dauerhaft in Coppengrave oder später auch den anderen Kapellen und Kirchen der Kirchengemeinde ausgestellt werden kann. „Das sieht ja hier wie an Heiligabend aus“, war Meisiek von der Gottesdienstkulisse mit rund 90 Anwesenden beeindruckt. Die Helfer vom Kirchenvorstand holten sogar noch Stühle in die Franziskuskirche, damit alle Besucher auch einen Sitzplatz fanden. Zum Abschluss des Gottesdienstes durften alle anwesenden Schreiber im würdigen Rahmen ihr Werk auch noch signieren. Der Kirchenvorstand bedankte sich zudem mit einem kleinen Präsentkorb bei Jürgen Woscholski für die Organisation der ganzen Aktion.

Foto2554+2457+2461+2466+2476: Handschriftlich wurde das Neue Testament abgeschrieben

Foto2465+141420: Die Luther-Bibel aus Coppengrave besteht aus zwei Bänden

Foto2501: Petra und Jürgen Woscholski präsentieren den Gottesdienstbesuchern die Luther-Bibel im Gottesdienst. 

Foto2502: Die Franziskuskirche in Coppengrave war voll besetzt

Foto2505+2507: Jürgen Woscholski bekommt einen Präsentkorb überreicht

Foto2510: Die Bibel wurde von allen Schreibern signiert

Foto2515+2517: Hermann Kohrs aus Grave signiert die Bibel

Foto2524: Die anwesenden Schreiber der Luther-Bibel aus Coppengrave