Akkus gemeinsam wieder aufladen

Salzhemmendorfer Suchtkranke helfen sich gegenseitig / Besucher immer willkommen

Duingen/Salzhemmendorf (gök). Jeden Montag ab 19.30 Uhr ist der Besprechungsraum im Gemeindehaus Salzhemmendorf für anderthalb Stunden besetzt. Vor über 25 Jahren wurde der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe von der Kirche gegründet und ist zu einem Anker für Betroffene geworden. Noch heute vermitteln die Kirchenkreissozialarbeiter aus Elze Menschen mit Suchtproblemen auch nach Salzhemmendorf, doch der Zulauf ist relativ gering. Meistens sitzen in Salzhemmendorf die gleichen vier oder fünf Alkoholkranken zusammen und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus. „In letzter Zeit hatten wir kaum Zulauf. Vermutlich ist es eine Art Schwellenangst, hierher zu kommen“, bekennt etwa Manfred Lazerus. Der Thüster ist seit vielen Jahren trocken und lädt seine Akkus durch die wöchentlichen Gespräche immer wieder auf. Mit Blick auf seine dunklen Lebensphasen kann er heute noch nicht verstehen, wie seine Frau das damals alles ausgehalten hat. Seine Familie hat er immer wieder belogen, vertröstet oder oft wurde auch das Geld knapp. Vielen ihm bekannten Alkoholkranken hat er schon goldene Brücken gebaut und ihnen die Mitnahme zu der Gesprächsrunde angeboten. Beim Angebot ist es aber zumeist geblieben, standen die Personen dann doch nicht an Bushaltestellen oder anderen Treffpunkten bereit. „Die Einsicht muss aber vorhanden sein, damit man seine Sucht auch bekämpfen kann“, erklärt Bernd Ramus bei der Gesprächsrunde in Salzhemmendorf.

Die Verschwiegenheit für die gegenseitigen Probleme ist das oberste Gebot. Kein Wort verlässt den Raum, wobei jetzt nach den vielen Jahren schon eine große Vertrauensbasis vorhanden ist. Mittlerweile wissen alle auch, wie es die jeweiligen Gruppenteilnehmer geschafft haben, von ihrer Sucht loszukommen. Einigen ist das zwar über den kalten Entzug gelungen, doch empfohlen wird von allen Teilnehmern die ärztliche Begleitung eines Entzuges mit einer Kur. Fast jeder Teilnehmer hat sein dunkles Ereignis mit dem Alkohol gehabt, was dann meistens den Ausschlag zum Entzug gab. „Ich bin nach einem Suff auf der Arbeit auf dem Weg nach Hause auf der Straße zusammengebrochen und jeder hat gesehen, wie es mir geht. Danach habe ich dann den Absprung gefunden und heute bin ich froh, dass mir ein zweites Leben geschenkt wurde“, bekennt auch Horst Zehlius. Erfreut berichten auch alle Anwesenden, dass das geistige Niveau mit der Alkoholabstinenz wieder steigt. Der Nebel aus dem Gehirn verschwindet im trockenen Zustand.

Einig sind sich auch alle in der Runde, dass Alkoholiker meistens sehr sensible Menschen sind. Die Zugabe der Krankheit in der Gesprächsrunde ist dann oft eine unglaubliche Erleichterung, weil das Versteckspiel ein Ende hat. Die Krankheit selber wird aber auch nach dem Entzug immer da sein, mit Hilfe der Gespräche wird nur der Ausbruch bekämpft. Alle Teilnehmer schätzen an der Runde, dass kein Zwang und keine Wartezeiten oder Kosten vorhanden sind. Die Kirche hat auch zugesagt, dass die Gruppe weiterhin den Besprechungsraum wöchentlich kostenfrei nutzen darf.

Die Gruppe mit Teilnehmern aus dem Flecken Salzhemmendorf und der Samtgemeinde Leinebergland hofft, dass sich noch mehr Suchtkranke dem Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe anschließen. „Wir haben unser Ziel schon erreicht, wenn wir nur einen anderen außer uns selbst auch retten können“, ist aus der Runde zu hören. Dabei ist die Runde aber bewusst für jeden Suchtkranken und nicht nur für Alkoholkranke offen. Jedem wird die Hand gereicht, der entweder zwanglos zu der Gruppe dazukommen kann oder sich über die Telefon-Nummer 01575-8898691 Rat holt. Gerne sind dann durch die Teilnehmer auch Gespräche in kleinerer Runde möglich.

 

Foto: Die Teilnehmer in Salzhemmendorf – hier Manfred Lazerus und Horst Zehlius – freuen sich auf weitere Gesprächspartner