„Neue Mitte“ feiert 10jähriges
Ohne Kreditaufnahme wurde Erfolgsprojekt in Duingen umgesetzt / Jubiläumsfeierlichkeiten fallen aus
Duingen (gök). Mitte Mai 2010 war es soweit. Mit einem großen Fest wurde die „Neue Mitte“ in Duingen eingeweiht. Kaum jemand hätte noch drei Jahre vorher an die erfolgreiche Umsetzung geglaubt. Mit Hilfe von Dorferneuerungsmitteln und einem starken Investor war es dem Flecken Duingen gelungen, dem Ort ohne jegliche Kreditaufnahme ein neues Zentrum zu bescheren.
Angefangen hatte die Entwicklung aber mit einem weniger schönen Ereignis. 2007 wurde das Seniorenheim in Marienhagen aufgrund hygienischer Mängel von Amts wegen geschlossen. Der damalige Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Schulz erfuhr aber erst aus der Presse von diesem Umstand und ließ sich aufgebracht einen Termin beim zuständigen Dezernenten im Landkreis geben. Dort traf er zufällig den Architekten von Christian Heinrich, der im Landkreis mehrere Seniorenparks betreibt. Dieser war auf der Suche nach einem weißen Fleck für einen weiteren Seniorenpark, wobei Schulz dann gleich Duingen ins Spiel brachte. Mit der Schließung der Einrichtung in Marienhagen gab es in der ganzen Samtgemeinde kein Seniorenheim mehr. „Unsere älteren Einwohner verließen die damalige Samtgemeinde entweder mit den Füßen vorweg oder in auswärtige Senioreneinrichtungen“, erklärt Schulz im Gespräch mit drastischen Worten.

Investor beim Landkreis getroffen

Im November 2007 begutachtete die Investorenfamilie Heinrich das erste Mal mit der Brache am Duinger Bahnhof das mögliche Grundstück, wo sich noch einiger Zweifel breitmachte. Rostige Ketten, alte Bahngleise, ein Salzsilo oder Baracken säumten dort die Fläche. Der Verwaltung gelang es aber, diese Zweifel zu zerstreuen und den Investor für das Projekt zu begeistern. Christian Heinrich als Investor sagte zudem zu, der damals verschuldeten Gemeinde auch entsprechende Bauabschnitte immer vorzufinanzieren, was von dem besonderen Vertrauensverhältnis zeugt. Allein der Neubau des Marktplatzes kostete 660 000 Euro und auch für den Ausbau der Bahnhofstraße waren Kosten in Höhe von 518 000 Euro entstanden. Dank dem Investor und dem Entgegenkommen der Kommunalaufsicht sowie 350 000 Euro Zuwendungen aus der Dorferneuerung brauchte die Samtgemeinde Duingen keinerlei Kredite aufnehmen. Laut Schulz hatte damals auch die Kommunalaufsicht erkannt, dass mit den Investitionen rund 100 Einwohner in Duingen gehalten und 50 bis 60 neue Arbeitsplätze entstehen konnten. Mittlerweile steht Duingen mit seinen Einwohnern um 500 besser dar, als ursprünglich von der Bertelsmann-Stiftung und der LAG in ihren Gutachten prognostiziert wurde. „Duingen ist zwar älter geworden, aber die Menschen können jetzt auch im Alter vor Ort bleiben“, ist Schulz zufrieden.
Weitsichtig hatte schon Udo Witt als Vorgänger von Schulz agiert. Der damalige Samtgemeindebürgermeister erwarb bereits ein Grundstück aus der Bahnbrache und auch von späteren Insolvenzen wie etwa dem Aus des Bahnvereins profitierte die Samtgemeinde und konnte Grundstücke günstig erwerben und an den Investor veräußern. Entgegen dem damaligen Trend zur Verlegung von

Nahversorgung in Ortsmitte

Einkaufsmöglichkeiten an den Ortsrand verweigerte sich der Rat einstimmig. In Duingen sollte sich eine „Neue Mitte“ in dem Bereich Dr.-Bock-Brücke, Am Bahnhof, Triftstraße Industriestraße und Hohes Rott entwickeln. Die Ratspolitiker waren sich einig, dass sich die Menschen in Duingen nicht abgeschoben fühlen sollten und die Nahversorgung in der Ortsmitte gewährleistet werden sollte. Auch der Sachstand, dass schon seit Jahren kein Marktplatz mehr vorhanden war und der Einzelhandel eine Vergrößerung anstrebte, ließ den Wunsch nach der „Neuen Mitte“ wachsen. Neben der zusätzlichen Ansiedlung der Sparkasse entstand in Wurfweite auf dem ehemaligen Gelände der Industriebrache auch ein neuer großer NP-Markt, wodurch der angrenzende REWE-Markt den alten NP-Markt als Getränkemarkt weiternutzen konnte. Die Sparkasse hatte ursprünglich geplant, am alten Standort neu zu bauen, ließ sich aber schließlich von den Vorteilen der „Neuen Mitte“ überzeugen und siedelte sich dort an, was jetzt auch den Senioren aus dem Wohnpark entgegenkommt. Mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung wurde schließlich das alte Grundstück der Sparkasse erfolgreich vermarktet, wo sich jetzt eine Krankengymnastikpraxis etabliert hat.

Einweihung im Mai 2010

Vor der Einweihung der Bahnhofstraße, des Marktplatzes Neue Mitte sowie dem Vorplatz vom Seniorenpark im Mai 2010 lief aber nicht alles problemlos. Alleine drei für Schulz zum Teil hart formulierte Leserbriefe wurden wegen der Fällung der Kastanien am Bahnhof veröffentlicht. „Es hieß damals, ich würde Politik mit der Kettensäge machen. Dabei waren von den neun Kastanien sechs schon tot und auch Probleme wie hochgedrückte Gehwege vorhanden. Mittlerweile ist mit sechzehn neugepflanzten Kastanien aber eine richtige Allee am alten Bahnhof entstanden, so dass sich zwei der damaligen Leserbriefverfasser im Laufe der Jahre schon bei mir entschuldigt haben“, ist Schulz mit der damaligen Entscheidung immer noch im Einklang. Auch Genehmigungsbehörden spielten nicht immer gleich von Anfang mit, weshalb auch hier oft Überzeugungsarbeit notwendig war. Mit der Förderung durch die Dorferneuerung war auch Kopfsteinpflaster gefordert, was erst nach einigen Diskussionen minimiert werden konnte. Dieses wäre für die Gemeindeverwaltung schwer sauber zu halten gewesen und kam auch den benachbarten Senioren nicht entgegen, wo viele auch mit Gehhilfen wie Rollatoren unterwegs sind. Schließlich kam man hier zu dem Kompromiss, dass nur noch die Umrandungen auf dem Marktplatz mit Kopfsteinpflaster gestaltet sind. Duingens Bürgermeister Klaus Krumfuß war besonders im ersten Gestaltungsabschnitt der „Neuen Mitte“ dem damaligen Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen dankbar, der von dem Projekt auch überzeugt war und dieses nach Kräften mit unterstützt hat. Bei der Einweihung im Mai 2010 stand er dann auch mit den anderen Organisatoren zusammen im Mittelpunkt. „Schlussendlich war das Invest von Familie Heinrich für Duingen ein Glücksgriff, wobei dem Flecken auch Insolvenzen wie beim Bahngelände oder im Industriegebiet entgegenkamen“, so Wolfgang Schulz.
Auch Duingens Bürgermeister Klaus Krumfuß hatte zwar am Beginn des Projektes gehofft, dass sich die „Neue Mitte“ so gut entwickelt, aber nicht mit so einer konkreten Umsetzung gerechnet. „Ich bin besonders froh, dass unser Konzept, Duingen aus der Mitte heraus zu entwickeln, so aufgegangen ist. Ein Marktplatz am Rand von Duingen wäre ein Stich in das pulsierende Herz des Ortes gewesen. Es ist jetzt immer wieder schön, wenn man mit ehemaligen Duingern spricht, die ihren Heimatort mal wieder besuchen und die Entwicklung mit anderen Augen sehen. Das alles wäre aber ohne die Familie Heinrich, Kurt-Ulrich Schulz vom Amt für regionale Landentwicklung, den ehemaligen Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen oder auch Udo Witt als Vorgänger von Wolfgang Schulz nicht möglich gewesen“, denkt Krumfuß auch an andere maßgebliche Figuren dankbar zurück.
Doch mit der Einweihung der „Neuen Mitte“ 2010 war noch nicht Schluss. Das Projekt hat sich im Laufe der Jahre immer mehr erweitert. Der Rat war sich dabei einig, dass Duingen aus der Mitte heraus entwickelt und zukunftsfähig gemacht werden sollte. So wurde auch eine weitere Investorengruppe gefunden, die Projekte wie den neuen NP-Markt erfolgreich umsetzen konnte. „Das Leben muss sich aber in der Mitte eines Ortes abspielen“, waren sich etwa Schulz und Krumfuß früh einig.

Entwicklung des Industriegeländes

Die Entwicklung wurde dann fortgesetzt mit der Bearbeitung des Industriegeländes. Dafür wurde das Gelände komplett bereinigt, wo es jetzt auch keine Schadstoffe mehr in der Erde gibt. 1975 stellten die Norddeutschen Steinzeugwerke den Betrieb ein und seitdem verfiel es zu einem reinen Brachgelände mit alten gemauerten Gebäuden, die immer gefährlicher und baufälliger wurden. 2014 begann schließlich der Abriss inklusive spektakulärer Schornsteinsprengungen. Gleich danach begann der Bau einer großen Lagerhalle, welche mittlerweile durch ein heimisches Logistikunternehmen genutzt wird. Auf dem anderen Teil des Geländes ist der Bauhof in einen 3000 Quadratmeter großen Bereich gezogen, zusätzlich stehen aber immer noch 6000 Quadratmeter Hallenfläche für Vermietung bereit. Es gab bisher zwar schon einige Mietinteressenten, laut Schulz muss es dabei aber auch zwischen beiden Parteien passen. Die Halle ist in verschiedene Abschnitte teilbar, wobei die Gemeindeverwaltung immer gesprächsbereit ist. „Wir konnten das leider nicht früher vermarkten, da die Verteilung der Fördergelder das nicht zuließ. Jetzt sind wir aktiv in der Werbung“, so Schulz. Auch im Bereich des Marktplatzes ist die weitere Entwicklung weiter im Fokus des Flecken Duingen. Die Ansiedlung von Unternehmen wie der Tagespflege Provetus hat dabei schon gut angefangen. Das Zentrum der „Neuen Mitte“ soll dann das Bürgerzentrum bilden. Dort soll es dann Platz für Beratungsräume, das Töpfermuseum und Veranstaltungen wie Seniorenkino, Lesungen oder Vorträge geben.
Erweitert wird auch noch einmal der Seniorenbereich, wofür Christian Heinrich auch die Ausschreibung gewonnen hat. „Der Seniorenpark wird dann mit 20 Anderthalb-Zimmer-Appartments aufgewertet, die aus Wohnküche und Schlafzimmer mit Balkon und Bad bestehen. Wir fördern dann in diesem Bereich das Gemeinschaftserlebnis mit gegenseitiger Unterstützung. Auch eine Vernetzung mit dem Pflegedienst oder Hilfe von Angehörigen ist möglich, so dass vor allem die Selbsthilfekräfte zur Geltung kommen. Insgesamt gibt es dann die 80 Plätze im Seniorenpflegeheim, 24 Wohnungen im betreuten Wohnen und das neue Projekt mit 20 Wohnungen, wodurch wir in allen Bereichen gut aufgestellt sind. Für die Zukunft haben wir noch mehr Ideen, wodurch wir mit dem Ort noch weiter verschmelzen können. Das alles ist schon eine traumhafte Entwicklung, die am Anfang so noch nicht absehbar war. Es zeigte sich aber schnell, dass die Nachfrage da war und die Zusammenarbeit vor allem mit Wolfgang Schulz und Klaus Krumfuß sehr vertrauensvoll war und wir von einem sehr guten Netzwerk profitiert haben“, so Heinrich im Gespräch. Ein Baubeginn wird für die geplanten 20 Appartments wohl 2021 stattfinden.

Jubiläum wird nachgeholt

Eigentlich sollte das zehnjährige Jubiläum der Einweihung etwas gefeiert werden. Aufgrund der Corona-Krise musste aber darauf verzichtet werden, was auch das geplante Sommerfest des Seniorenwohnparks beinhaltete. Nach Möglichkeit soll aber zumindest in einem kleineren Rahmen zu einem späteren Zeitpunkt das Jubiläum nachgeholt werden. „Wir gucken positiv in die Zukunft und freuen uns auf die weiteren Entwicklungen. Dies alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht immer alle Beteiligten an einem Strang gezogen hätten“, zieht Schulz zusammen mit Krumfuß ein positives Fazit der vergangenen Jahre.

Foto6734: Der Seniorenwohnpark erfreut sich einer großen Nachfrage
Foto6735: Einrichtungen wie die Tagespflege Provetus haben sich an der „Neuen Mitte“ in den letzten Jahren angesiedelt
Foto6736: In der „Neuen Mitte“ gibt es zur Freude der Senioren nur wenig Kopfsteinpflaster
Foto6737: Wegen Corona stockten die Arbeiten in den letzten Wochen
Foto6738+6739: Die Hallen in der ehemaligen Industriebrache werden seit Kurzem vermarktet, der Bauhof hat dort schon ein neues Zuhause gefunden
Foto6751: Die Bahnhofstraße 2007
Foto6752: Die Bahnhofstraße 2009
Foto6753: Die Bahnhofstraße aktuell
Foto6754: Der Ort vom betreuten Wohnen 2007
Foto6755: Der Ort vom betreuten Wohnen 2020
Foto6756: Der Vorplatz zur Feuerwehr 2007
Foto6757: Der Vorplatz zur Feuerwehr 2020
Foto6758+6759: Das verfallene Gebäude an der Triftstraße 2008
Foto6760: Bei dem ehemaligen Gebäude an der Triftstraße ist jetzt die Einfahrt zum Industriegelände und zum NP-Markt
Foto6761: Der Abriss der Norddeutschen Steinzeugwerke 2014
Foto6762: Mittlerweile wird Platz von den Norddeutschen Steinzeugwerken wieder gewerblich genutzt