Völkerverständigung im dunklen Osterwald
Pflege einer Gedenkstätte durch „Reenactment“-Gruppe sorgt in England für großes Interesse
Osterwald/Hildesheim (gök). Der Osterwald ist beliebt. Dichter Wald und tolle Wege sorgen dafür, dass unzählige Wanderer oder Jogger dort regelmäßig unterwegs sind. Auch Thorsten Bartels aus Gronau und Jürgen Glomb aus Lauenstein haben zuletzt rund 30 Kilometer im Osterwald zurückgelegt, ehe sie schließlich die Gedenkstätte für Sergeant Clive O’Hare gefunden hatten.
Am 7. Oktober 1986 flog der 29jährige Brite O’Hare einen Aufklärungshubschrauber des britischen Militärs vom Typ „Gazelle“ bei einer Flugübung, die eigentlich wieder in Hildesheim enden sollte. Am Ende der Übung in Hildesheim fiel dann aber auf, dass einer der 16 Hubschrauber fehlte und sofort wurde eine große Suchaktion gestartet. Trotz des Einsatzes von 16 britischen und deutschen Hubschraubern sowie einer 300köpfigen Suchmannschaft aus Soldaten und Polizei wurde der verunglückte Hubschrauber erst 13 Stunden nach dem Unfall im Osterwald gefunden. Vermutlich hätte die Suche wohl noch viel länger gedauert, wenn nicht Hinweise aus der Bevölkerung auf eine weiße Leuchtrakete geholfen hätte und der Suchradius so konkret eingeschränkt werden konnte. Der Pilot war bei dem Absturz ums Leben gekommen, während sein 28jähriger Beobachter im Hubschrauber schwer verletzt geborgen werden konnte. Der Hubschrauber hatte im Tiefflug die Baumwipfel berührt, war ins Trudeln geraten und in eine Tannenschonung gestürzt, wo der Hubschrauber völlig zerfetzt wurde. Neben dem verstorbenen Piloten und dem Wrack fanden die Suchmannschaften den am Ende seiner Kräfte verletzten Beobachter, der gerade noch rechtzeitig durch Ärzte versorgt wurde.
Zusammen mit 13 anderen Aktiven aus dem „363 Field Squadron“ beschäftigen sich Glomb und Bartels mit britischer Militärgeschichte. 2013 wurde die lose Gruppe ins Leben gerufen und fand ursprünglich über Manöverfilme zueinander. „Wir sind im Kalten Krieg aufgewachsen und mit den Manövern der Britischen Rheinarmee groß geworden“, erklärt Bartels die Gemeinsamkeit innerhalb der Gruppe. Schon als Kind war etwa Glomb kaum zu halten, wenn die Briten mit ihren Manöverfahrzeugen wieder durch den Ort fuhren. Nicht selten wurden die Fahrzeuge dann verfolgt und mit den Briten der Kontakt gesucht. Die insgesamt 15 Mitglieder der Gruppe gehen mit viel Liebe zum Detail ihrem Hobby des „Reenactment“ nach, womit man auch an die Menschen erinnern will, die die Sicherheit von Deutschland früher gewährleisteten. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet Wiederaufführung oder Nachstellung. Mit möglichst großer Genauigkeit werden konkrete geschichtliche Ereignisse dabei in möglichst authentischer Art und Weise inszeniert. Die Fahrzeuge sowie die Ausrüstung der Gruppe sind dabei so originalgetreu, dass viele Menschen beim Antreffen gleich von britischen Soldaten ausgehen, ehe sie dann meist die deutschen Kennzeichen an den Fahrzeugen entdecken. Der Name der Gruppe entstand aus dem historisch-militärischen Bezug sowie der Buchstabenkombinationen auf den Kennzeichen ihrer Landrover. Die Mitglieder kommen dabei aus dem ehemaligen Ballungszentrum der britischen Rheinarmee zwischen Herford und Hildesheim. „Seit der Kindheit begeistern wir uns vor allem für die Militärtechnik und machen bei unseren Treffen so immer auch eine kleine Reise zurück in unsere Jugend“, erklärt Jens Vogt die besondere Leidenschaft in der Gruppe.
Die Mitglieder der Gruppe fahren alle mindestens einen Landrover und haben teilweise noch weitere militärische Fahrzeuge, die oft direkt in Großbritannien gekauft wurden. Jens Vogt etwa versorgt mit seiner Feldküche bei Treffen immer seine Mitstreiter und sorgt dabei auch außerhalb der Gruppe für viel Begeisterung. Besonders beeindruckt zeigen sich von dem Fuhrpark der Gruppe meistens sogar Briten, die sich dann an längst vergangene Zeiten erinnert fühlen. Bei der Verabschiedung der Briten 2014 in Hameln etwa kam der Fuhrpark so gut an, dass er mit in den Mittelpunkt der Feierlichkeiten gerückt wurde. Auch bei anderen Veranstaltungen wie etwa Modellbauausstellungen in Holzminden sorgt die Gruppe für Faszination und sammelt dabei vor allem Gelder für den guten Zweck. So hat man im Laufe der Jahre schon unzählige Euro für die Deutsche Kinderkrebshilfe gesammelt und sich bei anderen Spendenaktionen eingebracht.
Da sich das Hobby der Gruppe immer auf das britische Militär bezogen hat, ging mit dem Abzug der Truppen auch der direkte Kontakt etwas zurück oder wurde schwieriger. Da Völkerverständigung und Aussöhnung den Mitgliedern aber weiter sehr wichtig ist, wurde über andere Wege der Kontakt gesucht. Über eine Facebook-Gruppe britischer Militärangehöriger postete Jürgen Glomb die wiedergefundene Gedenkstätte des verunglückten Piloten und erinnerte damit an das Unglück vor 34 Jahren. Dass gerade ein Deutscher an diesen Unglücksfall erinnerte, stieß bei den Briten auf großes Interesse. Unzählige Likes und Kommentare in der Facebook-Gruppe sorgten dafür, dass Glomb mit vielen Briten in Kontakt kam. Darunter war auch der damals schwer verletzte Beobachter, der schließlich den Kontakt zu der Familie des Piloten herstellte. Vor zwei Jahren war die Familie noch im Osterwald zu Besuch und legte nach 32 Jahren dort Trauerkränze ab. Zusammen nahm sich die deutsche Gruppe daher jetzt vor, die Erinnerung an den verunglückten Piloten nicht verblassen zu lassen. Bepackt mit Wasserkanister und Werkzeug machte sich das Team jetzt auf in den Osterwald, um die Gedenkstelle wieder in ein ansehnliches Licht zu bringen. Mit der Bürste und Manpower wurden die Erinnerungssteine ordentlich geschruppt und so die Inschrift wieder lesbar gemacht. Neben den vorhandenen Trauerkränzen wurde noch ein eigener Trauerkranz hinterlassen, um an den britischen Piloten zu erinnern. Direkt neben dem Gedenkstein für den Verunglückten hinterließ auch die Bergungsmannschaft der britischen Armee damals einen letzten Gruß für den Piloten, der jetzt im Osterwald durch die Arbeit der „Reenactmen“-Gruppe wieder sichtbar geworden ist.

Foto0066: Vor der Aktion war die Inschrift auf dem Stein der Bergungsmannschaft kaum noch zu lesen
Foto1639: Der Gedenkort vor der Aktion
Foto4440: Die Kameraden von Clive O‘Hare erinnern mit einer Plakette auf dem Gedenkstein an ihn
Foto4565: Der Gedenkstein der Bergungsmannschaft nach der Aktion
Foto5727: Der Gedenkort nach der Aktion
Foto7198: Die Mitglieder vom „363 Field Squadron“ während der Arbeit am Gedenkort