Auf felsigen Bergpfaden unterwegs im Lausitzer Grenzland
Timo Hedderich und Eike Dempewolf bestreiten 50-Kilometer-Ultralauf im Zittauer Gebirge
Osterwald/Oybin (gök). Für Sportler ist 2020 wahrlich keine einfache Wettkampfsaison gewesen, viele Veranstaltungen sind Corona-bedingt abgesagt und ins nächste Jahr verlegt worden. Die beiden Langstreckenläufer Timo Hedderich und Eike Dempewolf von den LG Fastflitzer Osterwald wurden auf ihrer Suche nach einem ambitionierten Saisonabschluss in Ostsachsen fündig, genauer gesagt im Zittauer Gebirge unmittelbar an der Grenze zu Tschechien. Der dortige Veranstalter hatte im Vorfeld ein schlüssiges Hygienekonzept vorgelegt und von den Behörden die Genehmigung für die zweite Auflage des O-See Ultra Trails erhalten.

Lauf um Sandsteinmassive von Oybin

Austragungsort der fünfzig Kilometer langen Laufveranstaltung ist der idyllisch gelegene Kurort Oybin, umgeben von mächtigen Sandsteinmassiven, die den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz ähneln. Als sich am frühen Morgen der Tross der 160 Ultraläufer vom Kurpark hinauf zu den Hängen des Scharfensteins und Töpferberges in Bewegung setzt, sind die Gipfel noch nebelverhangen. Der Dauerregen am Tag zuvor hatte das Wegenetz sehr aufgeweicht, besonders die glitschigen Felspassagen erfordern von den Teilnehmern während des gesamten Laufes hohe Aufmerksamkeit.

Bizarre Felsgestalten erinnern an mythologische Fabelwesen

Bei der Teufelsmühle im Goldbachtal, einer ehemaligen Sägemühle, queren die Teilnehmer die Gleise der Schmalspurbahn, die seit 1890 von Zittau ins Zentrum des Gebirges verkehrt. Von dort windet sich der Weg steil hinauf zur berühmten Jonsdorfer Felsenstadt. Unzählige bizarre Felsgestalten wie Mausefalle, Carola- und Nonnenfelsen oder Orgel türmen sich links und rechts der Strecke auf und erinnern an mythologische Fabelwesen. Einige Baumstämme versperren die Wegpassagen durch das Naturschutzgebiet und müssen überstiegen werden. Vor dem Schwarzen Loch, einem tiefen Steinbruchkessel, müssen die Teilnehmer eine enge Felsengasse durchlaufen. Meterhoch steigen die dunklen, vermoosten Felswände empor, kaum ein Lichtstrahl erreicht den Boden der Schlucht und die Luft riecht modrig. Über gesicherte Steige geht es mitten durch diese Felswunderwelt, bei dem unwegsamen Abstieg in das Tal von Waltersdorf ist hohe Konzentration gefragt.
Im weiteren Verlauf am Weberberg trifft die Strecke auf den Kammweg, der unmittelbar entlang der deutsch-tschechischen Grenze verläuft und durch einige historische Grenzsteine mit der Aufschrift K.S. (Königreich Sachsen) und K.B. (Königreich Böhmen) markiert ist. Bald schon taucht vor ihnen die Lausche auf, mit 793 Metern der höchste Punkt des gesamten Lausitzer Gebirges. Hedderich und Dempewolf motivieren sich gegenseitig, steht nun mit 25prozentiger Steigung der herausforderndste Anstieg der Strecke bevor. Mühsam schrauben sich die Läufer in zahlreichen Kehren am Südhang des markanten Berges empor. Schnell passieren sie den windig-kalten Gipfel mit seinem kürzlich eingeweihten neuen Aussichtsturm, der eine formidable Aussicht bis ins Riesengebirge bieten soll. Doch dafür haben die beiden Läufer keinen Blick, die Strecke erfordert abermals Aufmerksamkeit, geht es doch über wurzelige Pfade hinunter bis in das Hochtal von Hain, einem alten Grenzübergang nach Böhmen. Dort bei Kilometer 42, also Marathondistanz, gibt es für die Ausdauersportler nochmal Gelegenheit, sich an einer Verpflegungsstation zu stärken, um für den Aufstieg auf den 749 Meter hohen Hochwald mit seinem weithin sichtbaren Aussichtsturm gewappnet zu sein. Die letzten Höhenmeter geht es über Geröll und Blockhalden hinauf, dann haben sie die Hochwaldbaude erreicht. Oben fällt der Blick weit ins böhmische Land mit seinen kegelförmigen Bergen bis hin zum Ještěd (deutsch Jeschken) und Milešovka (deutsch Milleschauer). Endlich folgt der finale Abstieg in den Talkessel von Oybin hinab. Das eingespielte Laufteam passiert den Kelchstein, Wahrzeichen und schwierigster Kletterfelsen des Gebirges, wenig später durchlaufen sie gemeinsam mit nach 7 Stunden 35 Minuten die Ziellinie, sichtlich erschöpft von der anspruchsvollen Strecke und mehr als 2100 positiven Höhenmetern in den müden Beinen.

Zufrieden blicken Hedderich und Dempewolf auf die ausklingende Laufsaison zurück. Nach ihrer Teilnahme an Ultraläufen wie dem Sachsentrail im Erzgebirge und dem Hartfüssler Trail in der saarländischen Montanregion kommen für beiden kongenialen Laufpartner immerhin 180 schwere Wettkampfkilometer in 2020 zusammen.
So hat die gegenwärtige Situation auch etwas Gutes. „Ohne die Absage der heimischen Rennen wären wir wohl kaum in diese Regionen gekommen. Wir haben sportlich etwas über den Tellerrand geschaut und wunderbare Landschaften in Deutschland kennengelernt“ erklären die beiden Läufer unisono.

Foto4: Bizarre Felsgestalten säumen den Weg
Foto2: Timo Hedderich und Eike Dempewolf genießen den Lauf im Zittauer Gebirge