Eine Gratwanderung für die Kultur

Haus an der Stadtmauer hofft auf Spenden

Wallensen (gök). Das Vereinsleben liegt derzeit brach. Normalerweise findet etwa in Wallensen Anfang November immer die Terminabsprache der Vereine für das Folgejahr im Haus an der Stadtmauer statt. Karl-Heinz Grießner lädt als Ortsbürgermeister und Vorsitzender des örtlichen Kulturvereins DorfKulTour dann immer auch die anderen Vereinsvertreter ein. Doch letztes Jahr wurde aufgrund der Corona-Bestimmungen zunächst auf ein Treffen verzichtet, welches aber wohl auch kaum Ergebnisse gebracht hätte.

„Für dieses Jahr sind alle Vereine sehr vorsichtig und planen kaum Veranstaltungen. Normalerweise hatten wir für dieses Jahr zum Ende des Sommers auch das Wallenser Stadtfest mit allen Vereinen geplant. Stand jetzt wird das Fest aber wohl nicht stattfinden. Die Entscheidung wurde noch nicht getroffen, doch normalerweise hätten die ersten Vorbereitungstreffen schon stattfinden müssen. Das finanzielle Risiko von abzuschließenden Verträgen ist aber vermutlich zu hoch“, schätzt Grießner die Lage pessimistisch ein.

2020 hatte auch der Verein DorfKulTour zwei größere Veranstaltungen im Haus an der Stadtmauer geplant. Für die Veranstaltung „75 Jahre Kriegsende“ hatte man auch Zeitzeugen gefunden, die von ihren Erlebnissen hätten berichten können. „Dabei hätte man auch die Brücke zu heutigen Themen schlagen können. Schon damals waren Flüchtlinge nicht überall willkommen“, erklärt Grießner im Gespräch. Geplant war auch eine Veranstaltung zu „30 Jahre Deutsche Einheit“. Gäste aus der ehemaligen Partnergemeinde Benneckenstein waren dazu auch eingeplant und Zeitzeugen hätten hier auch ihre Erfahrungen wiedergeben können. Grießner hat jetzt die Hoffnung, dass man diese beiden für viele sicherlich sehr interessanten Veranstaltungen vielleicht noch dieses Jahr nachholen kann. Er stellt aber klar, dass das natürlich von der weiteren Corona-Entwicklung abhängt.

Einen alternativen Weg hatte das Bücherei-Team aus dem Haus für seine Leser gefunden. Zum Jahreswechsel wurden an Stammleser noch Büchertaschen kontaktlos verteilt, so dass zumindest die Bücherfreunde aus der Region etwas auf ihre Kosten kamen. Je nach Entwicklung wird sich das Bücherei-Team auch weiterhin etwas einfallen lassen müssen, um die Stammleser zu halten.

Größte Sorgen macht sich Grießner aber auch um die Gesangsvereine, wie etwa um den Männergesangverein Wallensen, der schon lange Jahre die Räumlichkeiten des Hauses für seine Singabende nutzt. „Jetzt singen die MGV-Mitglieder aber bereits ein Jahr nicht mehr“, ist Grießner betrübt. Zwar haben sich die Mitglieder im Sommer einige Male getroffen, doch dabei wurde im Rahmen der geltenden Abstandsregeln nur etwas die Geselligkeit gepflegt. Die Zukunft wird dann zeigen, ob der MGV auch zukünftig singfähig sein wird.

Das Technik-Team von DorfKulTour kümmert sich derzeit abwechselnd um das Haus an der Stadtmauer, wo regelmäßig gelüftet oder alles kontrolliert wird. Normale Verschönerungsarbeiten wurden dabei aufgeschoben, um die eh knappen finanziellen Rücklagen des Vereins zu schonen. „Uns fehlen die Einnahmen aus den Veranstaltungen. Erhalten konnten wir das Haus bisher nur durch einige Spenden und wir hoffen, dass uns auch weiterhin einige Menschen oder gerne auch Gewerbetreibende aus der Region unterstützen“, hofft Grießner auf Unterstützung. Bis auf eine kleine Spende aufgrund der verzichteten Weihnachtspost vom Flecken hat der Verein bisher keine Unterstützung von öffentlichen Stellen wie Flecken oder dem Landkreis erhalten. Grießner stellt dabei klar, dass man sich zwar bisher über Wasser halten konnte, ein weiteres Jahr ohne Einnahmen der Verein aber so nicht überstehen wird. Geholfen hat letztes Jahr die Aktion Haus-Held und auch aus der neuen Sofa-Aktion von Tanja Flügel erhofft sich Grießner wieder Unterstützung für die Einrichtung.

Für den Verein ist die derzeitige Entwicklung eine Gratwanderung für die ganze Kultur der Region. Den Verein eint mit anderen Kulturschaffenden die große Sorge vom Verlust kultureller Veranstaltungen in der Region, die sich nur mit viel Aufwand wieder ins Leben rufen lassen. Es gilt jetzt darum, dass nach dem Lockdown die Motivation zum Ehrenamt wiedergefunden wird. Grießner fürchtet, dass sich viele Menschen schon an den Ausfall der Veranstaltungen gewöhnt haben. „Vielleicht kann die Kultur zukünftig noch mehr durch die Gemeinde gefördert werden? Das müssen wir zusammen mit der Politik und anderen Vereinen in die Diskussion bringen“, so Grießner.

Foto: Die Ausstellungsräume des Hauses an der Stadtmauer sind derzeit verwaist

Foto: Karl-Heinz Grießner hofft, dass sich künftig wieder alle Türen zu den Kultureinrichtungen öffnen