Aufklärung für den Frieden

Jörg Beining lüftet Geheimnisse zur elektronischen Kampfführung in seinem erschienenen Buch

Alfeld (gök). Wenn Jörg Beining von seinem Balkon in das Leinetal blickt, erfreut er sich über die friedliche Gegend, die auch er vor rund 50 Jahren mit gesichert hat. Als junger Mann war der heute in Langenholzen wohnende Beining wie viele andere auch zur Bundeswehr eingezogen worden. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker wurde dann nach der Grundausbildung und eingehender Überprüfung durch den MAD (Militärischer Abschirmdienst) sowie Lehrgang nach Barwedel versetzt.

Anders als heute war die Situation in Deutschland damals sehr angespannt. Beining und ganz Deutschland war geprägt von der Kuba-Krise oder der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. „Das machte einen jungen Menschen damals sehr unsicher“, erinnert sich der 70jährige im Gespräch an diese bewegende Zeit zurück. Vermutlich mit dem Hintergrund seiner Ausbildung wurde der junge Soldat 1971 nach Barwedel versetzt, was 11 Kilometer entfernt zur innerdeutschen Grenze zwischen Wolfsburg und Wittingen lag. „Ich wurde später an der Uni häufig gefragt, warum ich zur Elektronischen Kampfführung (EloKa) gegangen bin. Ich habe es mir aber nicht ausgesucht“, so Beining. Auf solche Stellen konnte man sich damals nicht bewerben, man wurde dafür ausgesucht. Ein Einsatz dort bei der Elektronischen Kampfführung (EloKa) war streng geheim. Selbst seine Familie dachte, er wäre als Funker und damit als normaler „Strippenzieher“ eingesetzt. Heute zeugt in Barwedel noch der jetzt als Mobilfunkanlage genutzte Funkmast und die Adresse „Am Funkberg“ von der damaligen Verwendung.

Nach seiner Verpflichtung für den zweijährigen Bundeswehrdienst und entsprechendem Fachlehrgang an der Fernmeldeschule am Starnberger See in Feldafing wurde Beining dann im Schichtdienst in Barwedel eingesetzt. Dabei wurden vor allem Radarsignale empfangen und ausgewertet. Laut Beining waren zu jener Zeit fast alle Waffengeräte radargekoppelt und konnten mit Hilfe der Anlagen entlang der innerdeutschen Grenze aufgeklärt werden. Diese Art der Aufklärung war und ist für Beining immer noch ein unverzichtbarer Teil, um den Frieden in der Welt zu erhalten. „Ich bin ein friedliebender Mensch“, stellt Beining im Gespräch klar. Aber die Aufklärung während des Kalten Krieges auf beiden Seiten der deutsch-deutschen Grenze wirkte deeskalierend und verhinderte aus seiner Sicht kriegerische Auseinandersetzungen, wobei damals das Wort Pflicht in der Wehrpflicht auch entsprechend ernstgenommen wurde. Der Schichtdienst in der Aufklärungsstation war damals sehr fordernd und lenkte Beining auch von bedrohenden Gedanken ab. Während Schichtdienst und Geheimhaltung für einen jungen Menschen schon genügend Stress bedeutete, saß man in der Funkaufklärung für einen Raketenbeschuss auch noch auf dem Präsentierteller. Im Falle eines Angriffes hätte die damalige Gegenseite vermutlich zuerst versucht, die Aufklärungseinheiten auszuschalten.

Die Bundeswehr verließ Beining nach den zwei Jahren mit dem Hintergrund, dass er eine Familie gründen wollte. Als Geschäftsführer eines Fachgeschäftes in Elze ließ in das Thema aber auch in den kommenden Jahrzehnten nie los. Auch nach seiner Bundeswehrzeit beschäftigte er sich noch viel mit den Themen der Ost-West-Beziehungen. Gespannt verfolgte er etwa auch die Geschehnisse um den 26. September 1983, als nur das umsichtige Handeln des sowjetischen Oberst Stanislaw Petrow nach einer Falschmeldung eines sowjetischen Frühwarnsatelliten einen Atomkrieg verhinderte.

Bereits seit 1995 waren Gasthörer an der Uni Hildesheim erlaubt und ab 2010 nahm auch Beining dieses Angebot an. Der Langenholzener schrieb sich für Geschichte, Politik und Soziologie ein und wurde 2015 sogar Lehrbeauftragter. Mit seinen Erfahrungen als Zeitzeuge gestaltete er an der Uni Seminare mit dem Titel „Zeitgeschichte im TV“. Dabei erfolgte die enge Abstimmung immer mit dem Leiter des Instituts für Geschichte an der Uni Hildesheim Prof. Dr. Michael Gehler. Noch heute ist Beining weiterhin als Institutsbeauftragter für audiovisuelle Medien an der Uni tätig.

Ab 2019 fand er dann auch die Zeit, ein Buch zu schreiben. Über rund 350 Seiten handelt das Buch „Streng geheim! Elektronische Kampfführung (EloKa) im Kalten Krieg“ über persönliche Erlebnisse von Beining sowie die Bedeutung und Erklärung der EloKa. Für das Sach- und Fachbuch durfte Beining tausende Dokumente sichten und editieren, was ihm in Fachkreisen positive Resonanzen brachte. Noch heute ist die EloKa beim Militär unverzichtbar, hilft doch etwa die Suche nach „Radiowellen“ beim Finden von Fernzündemöglichkeiten.

Am 6. Januar diesen Jahres wurde sein Buch im Miles-Verlag veröffentlicht, der sich in der Vergangenheit schon vermehrt mit Militärgeschichte beschäftigt hat. Die Veröffentlichung sorgte in Fachkreisen schon für Aufsehen und brachte den Langenholzener auch schon mit dem Thema EloKa ins Radio. Auch in der Zukunft will sich Beining weiterhin mit dem Thema Kalter Krieg beschäftigen und auch seiner Tätigkeit an der Uni nachgehen.

Foto Barwedel: Heute ist die ehemalige militärische Nutzung in Barwedel kaum noch erkennbar. Mittlerweile wird der Turm vorrangig für die Mobilfunkversorgung der Region genutzt

Foto Beining: Von seiner Terrasse aus hat Jörg Beining einen tollen Blick in das friedliche Leinetal

Foto Aufklärung 1-4+6: Das Ministerium für Staatssicherheit hat eine massive Gegenaufklärung betrieben – Beining durfte die Stasi-Akten im Bundesarchiv sichten und für sein Buch sichern

Foto1967: 1967 stand in Barwedel noch ein Stahlgerüstturm, ehe später der jetzt noch ersichtliche Turm gebaut wurde – eine Aufklärung konnte aber auch mobil erfolgen

Foto Buchcover: Das rund 350seitige Buch von Jörg Beining erschien am 6. Januar 2021