Sportliche Audienz beim Kaiser
Läufer bestreiten ultralange Distanz durch den Wilden Kaiser in Tirol
Osterwald/Tirol (gök). Wie im vergangenen Jahr sind respektable Laufwettkampfveranstaltungen in der gegenwärtigen Pandemielage in Deutschland weitestgehend noch nicht möglich. Die europäischen Nachbarländer sind in der Regel aber schon etwas weiter, dort versucht man sich mit Hygienekonzepten und limitierten Teilnehmerzahlen an ein wenig sportlicher Normalität. “In Österreich kann man sich seit jeher auf eine vitale Trailrunningszene verlassen, so ist es kein Wunder, dass die ersten läuferischen Sporthighlights dieses Sommers allesamt ausgebucht sind“, erklärt Eike Dempewolf im Gespräch.
So auch die zweitägige Kaiserkrone, die als Bestandteil der namhaften Skyrace-Serie Bekanntheit erfahren hat. Kernstück ist die ultralange Distanz von 56 Kilometern um das Kaisergebirge. Am Start in Scheffau am Wilden Kaiser wurde den beiden Läufern Timo Hedderich und Eike Dempewolf (LG Fastflitzer Osterwald) ein wenig mulmig angesichts dieser Herausforderung, kommen auf der Umrundung des imposanten Gebirges immerhin knapp 3900 Höhenmeter bergauf zusammen. Eine Dimension, die man im heimischen Norden kaum trainieren kann.
Die ersten Kilometer bis zum Hintersteiner See gestalten sind noch recht angenehm, bald hinter diesem türkisblauen Kleinod zieht die Steigung bis zur Walleralm das erste Mal richtig an. Rasch verzieht sich dort der morgendliche Nebel, und dem Läuferfeld wird ein weites Panorama ins Inntal bis nach Kufstein geboten. Hinter dem Hocheeg geht es abrupt hinunter ins Fischbachtal und im weiteren Verlauf steil empor zum adlerhorstgleichen Stripsenjochhaus. Hier in 1577 Meter Höhe, auf einem Grat zwischen Zahmen und Wilden Kaiser, erblicken die Läufer das erste Mal die düsteren und lotrechten Nordwände von Totenkirchl, Fleischbank und Predigtstuhl – berüchtigte Schauplätze schwierigster Felsklettereien und -tragödien.
Doch für eine ausgiebige Rundschau auf die imposanten Kaisergipfel bleibt keine Zeit, schon geht es wieder über Stock und Stein steil hinab, fast 800 Höhenmeter hinunter ins Kaiserbachtal. Bei Kilometer 30 folgt eine letzte Erfrischungsstation, bevor sich der Weg durch Wälder zur Maukalm emporwindet. Dort verlassen die Läufer nun endgültig den Waldbereich und kommen über einen kurzen Almabschnitt in den hochalpinen Bereich des Kaiserkrone-Trails. In der mittäglichen Wärme wird es jetzt ernst, volle Konzentration ist angesagt, der Weg passiert mehrmals seilgesicherte Passagen über die steilen Geröllabgänge im Köbelkar, bevor die Teilnehmer ein steiles Schneefeld queren müssen. Schlüsselstelle des gesamten Laufes ist der ausgesetzte und mit Drahtstiften und -leitern versicherte Klammlsteig bei Kilometer 45. Dieser sticht mit bis zu 46 Prozent Steigung an der Ostwand des Gruttenkopfes in die Höhe, bevor man endlich die Verpflegungsstation an der Gruttenhütte erreicht. Kurzes Durchschnaufen ist angesagt, denn immer noch sind im weiteren Verlauf der Strecke unmittelbar unter den Südhängen des Wilden Kaiser felsige Passagen zu bewältigen. Am Ende erblickt man bei der Kaiserbachhochalm endlich tief unten das Scheffauer Tal. Schließlich geht es letzte Kilometer abwärts über Almen und durch die Rehbachklamm, ehe man diesen Ultra-Trail geschafft hat!
Timo Hedderich, der seinen ersten Alpenlauf mit Bravour meisterte, kam nach 12:11 Stunden im Angesicht der Scheffauer Kirche ins Ziel. Eike Dempewolf, den nach etwa 36 Kilometern zunehmend Schmerzen im rechten Oberschenkel quälten, musste sein Tempo gerade im hochalpinen, ausgesetzten Teil der Strecke reduzieren und konnte den Extremlauf trotzdem nach 13:34 Stunden beenden. Beide zeigten sich erschöpft, aber hochzufrieden, dieses Laufabenteuer durch eine der eindrucksvollsten Gebirgsgruppen der Alpen gemeistert zu haben.

Foto1+7: Völlig erschöpft genießen Timo Hedderich und Eike Dempewolf im Ziel das Alpenpanorama
Foto3: Über schmale Wege ging es durch die Alpen
Foto4: Die Läufer müssen wie Eike Dempewolf hier oft hoch konzentriert auch Kletterpassagen hinter sich bringen

Foto6: Auch Geröllabhänge bringen die Teilnehmer hinter sich