Kleine Wissenschaft im Wald
Hildesheimer Pilz-AG sucht besondere Pilze
Leinebergland/Haus Escherde (gök). Edith Haupt hatte bei dieser Wanderung Heimvorteil. Die sonst als Hexenköchin für Marmeladen oder verschiedene Nudelarten bekannte Einwohnerin von Eddinghausen kennt sich mit Lebensmitteln sonst gut aus, aber im Bereich der Mykologie ist sie noch ein Lehrling. „Diese Termine sind für mich auch reines Hobby, aber es macht mir viel Spaß“, erklärt Haupt bei der Pilz-Wanderung rund um Haus Escherde. Zusammen mit rund einem Dutzend Pilzfreunden wandert sie im Wald eine Strecke ab, wo die Teilnehmer zumeist „demütig“ nach unten blicken, wie eine der Teilnehmerinnen passend sagt. Anders als bei normalen Pilzsammlern stehen dabei aber keine Speisepilze wie Pfifferling, Steinpilz oder andere Röhrling im Mittelpunkt des Interesses, sondern alle anderen besonderen Pilze.
Die Hildesheimer Pilz-AG trifft sich nicht zum normalen Pilzesammeln, sondern nähert sich den Pilzen wissenschaftlich an. „Die Mykologie umfasst alleine bei den Großpilzen rund 10 000 verschiedene Arten, wobei in unserer Region etwa 2 500 vorkommen. Unter Großpilz versteht man dabei die Pilze, die mit bloßem Auge zu erkennen sind“, erklärt Ralf Rammelsberg im Gespräch. Im Bereich der Mykologie kommen dann noch Millionen von Pilzarten dazu, die nur mit Hilfsmitteln wie Mikroskopen zu erkennen sind. Die Pilz-AG trifft sich ganzjährig einmal im Monat zur Exkursion an verschiedenen Stellen der Region und geht auf die Suche nach Pilzen. Dazu kommen dann noch Treffen zur Fundnachbesprechung, wo dann richtig tief eingestiegen wird und die einzelnen Pilze ordentlich bestimmt werden. In der modernen Mykologie ist derzeit ein Wechsel zu vernehmen, wo die Arten per DNA bestimmt werden. Das ist im Wald natürlich nicht möglich, weshalb Pilzsammler wie in der Hildesheimer Pilz-AG weiter auf Bücher oder Apps zurückgreifen, die sie dann auch dabeihaben. Eng arbeitet die Pilz-AG dabei mit dem Schul-Biologie-Zentrum in Hildesheim zusammen und tauscht sich entsprechend aus. „Wir laden uns dann gerne auch Dozenten ein oder bieten Pilzfortbildungen für Pilzsachverständige von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie an“, erklärt Rammelsberg. In der Pilz-AG gibt es unter den rund 20 Mitgliedern auch einige Pilz-Sachverständige, die gerade bei Vergiftungsfällen wertvolle Tipps geben können.
Bei jeder der Exkursionen wird eine Fundliste geschrieben, was auch im Bereich Haus Escherde jetzt gemacht wurde. Insgesamt wurden über 30 Arten gefunden, wobei nach erster Bestimmung eine kleine Sensation dabei war: der „Graue Langfüßler“ eine in unseren Breiten seltene Lorchel. In der Vergangenheit kam es aber immer wieder mal vor, dass es Funde von besonderer Art gab. So gab es etwa im Bereich des Bruchsees bei Duingen jüngst einen Pilzfund, der sonst nur in nordischen Ländern vorkommt. Außergewöhnliche Funde wie dieser werden dann auch überregional für wissenschaftliche Zwecke erfasst. Gefragt war das Gebiet um die Duinger Seen besonders in den letzten zwei Jahren, wo die sonstigen Wälder unter großer Trockenheit zu leiden hatten und es dadurch auch nur sehr wenig Pilze gab. In diesem Jahr gibt es dagegen bisher sehr viele Pilze, da es auch viel Regen gab. Nicht überall findet man aber auch Pilze. „Unter unserer Ahorn-Bäumen hier in der Region etwa wird man keinen Pilz finden, da wachsen keine. Allerdings gehen Pilze sehr oft Lebensgemeinschaften ein. Den Lärchen-Röhrling etwa gibt es nur an der Lärche“, erklärt Volker Gensing im Gespräch.
Pilze sind generell meistens an feuchten Stellen zu finden. Bei dichtem Bewuchs wie etwa mit Brombeeren lohnt sich die Suche kaum. Dieser Tipp ist aber auch für erfahrene Pilzsucher keine Neuigkeit. Derzeit werden vor allem Röhrlinge als Speisepilze geerntet, auf sauren Böden dazu auch Pfifferlinge. Wie bei vielen Pilzen gibt es aber auch bei Pilzen wie dem Pfifferling Verwechslungsgefahren. So wächst vor allem auf Holz der giftige Ölbaumtrichterling, wenn auch in diesen Breitengraden nicht sehr oft. Ohne ausreichendes Wissen würden die Mitglieder der Pilz-AG Amateursuchern nicht raten, alleine auf Pilzsuche zugehen. „Bei Speisepilzen muss man die Verwechslungspartner einfach ausschließen können, um sich nicht zu vergiften. Mit etwas Übung ist das aber gut möglich, wozu sich geführte Pilzsuchen anbieten“, empfiehlt Rammelsberg. Bücher und Apps helfen dabei auch Pilzanfängern bei der Bestimmung der verschiedenen Arten. Aber Vorsicht – viele Pilze sind auch roh giftig und werden erst beim Kochen über 60 Grad genießbar.
Die Mitglieder der Pilz-AG schätzen an ihrer „Pilz-Schatzsuche“ vor allem den Umstand, dass man immer dazulernt. Die älteste Teilnehmerin ist dabei 92 Jahre alt und lernt auch immer noch dazu. Ein Experte im Bereich der Täublinge ist Cornelia Roffmann, die von den anderen Mitgliedern gerade bei diesen Pilzen immer wieder zu Rate gezogen wird. Da wird etwa ein „Netzflockiger Rosa-Täubling“ auch mal mit der Baumharz-Tinktur identifiziert. Zu ihrem Hobby sind die Mitglieder auf unterschiedene Wege gekommen. Einigen waren bei Pilzführungen des NABU dabei, einige schon mit ihren Eltern in der Kindheit oder haben durch Freunde und Partner den Weg in die Pilz-AG gefunden. „Gerade bei den Kursen des NABU war das Interesse immer riesengroß, wobei im letzten Jahr während Corona das Interesse noch einmal gestiegen ist“, so Rammelsberg.
Zu beachten gibt die Pilz-AG noch, dass einige Pilzarten auch unter Artenschutz stehen. So dürfen etwa Pfifferlinge oder Steinpilze nur für den Eigenverbrauch und nicht für den Weiterverkauf gesammelt werden. Trotz der Suche nach den besonderen Pilzen hat aber nahezu jedes Mitglied der Pilz-AG einen Korb dabei, um sich später Zuhause noch mit einer leckeren Pilzmahlzeit den Abend oder nächsten Tag zu versüßen.

Foto0279: Rund ein Dutzend Mitglieder der Pilz-AG zogen rund um Haus Escherde durch den Wald

Foto0291: Manche Pilz wachsen direkt am Holz

Foto0295+96 Die Pilzsammler sind “demütig” immer auf der Suche nach Pilzen

Foto0293+0299: Am Ende haben sich die Körbe auch etwas mit Speisepilzen gefüllt

Foto0295+0296: Ein fleischroter Speise-Täubling

Foto0288: Flockenstielieger Hexenröhrling

Foto0294: Gemeiner Riesenschirmling

Foto0282: Der Heftelnabeling

Foto0284: Der Halsband-Schwindling schrumpft bei Trockenheit

Foto0287: Der Flockenstielige Hexenröhrling unter der Lupe

Foto0292: Der Netzflockige Rosa-Täubling wurde mit Hilfe einer Tinktur identifiziert

Foto0280+0281: Der Netzstielige Hexen-Röhrling

Foto0289: Schon im Wald werden die verschiedenen Funde besprochen

Foto0290: Mit Hilfe von Büchern oder Apps werden die Pilze im Wald bestimmt

Foto0283: Ein Wechselfarbiger Dotter-Täubling