Wenig Papier, viele Kartons

Altpapiermangel sorgt in vielen Bereichen für Probleme

Kaierde/Alfeld (gök). Noch vor zwölf Monaten hat auch die Kartonfabrik Kaierde unter der Corona-Pandemie gelitten. Doch laut Geschäftsführer Stephan Gravenkamp hat sich das Blatt komplett gewendet. Von jedem Montag- bis Samstagmorgen produzieren die 65 Mitarbeiter der Firma im Drei-Schicht-Betrieb zahlreiche Kartonprodukte für den europaweiten Kundenstamm. „Mittlerweile ist unsere Lieferzeit aufgrund der hohen Auslastung und der Rohstoffknappheit aber auf 26 Wochen angewachsen, wenn nicht Vorbestellungen durch unsere Stammkunden getätigt wurden“, so Gravenkamp.

Nicht auch zuletzt durch Corona hat der Online-Versand immer mehr zugenommen, wodurch auch die Nachfrage nach Verpackungspapieren immer weiter gestiegen ist, was das Kerngeschäft des Mittelstandbetriebes aus Kaierde ist. Neben Grau- und Baunkarton-Waren ist man aber auch im Bereich der grafischen Papiere wie etwa bei Buchrücken tätig. Nach diversen Marktbereinigungen ist die Fabrik in Kaierde einer der letzten mittelständisch verbliebenen Kartonerzeuger. Gravenkamp ist trotz der Rohstoffknappheit beim Altpapier und der immens gestiegenen Energiekosten zuversichtlich, dass man auch die nächsten Jahre noch am Markt vernünftig bestehen kann. „Grundsätzlich ist es aber schwierig, perspektivisch nach vorne zu gucken“, schätzt Gravenkamp.

Mit Beginn der Digitalisierung in allen Bereichen der Wirtschaft leidet die gesamte Wertschöpfungskette von der Papierherstellung über den Großhandel bis zur Verarbeitung unter der permanent fallenden Nachfrage nach grafischen Papieren. Dazu kommen die immer arbeits- und kostenintensiveren gesetzlichen Anforderungen in vielen Bereichen. Die Produktion der deutschen Papierindustrie ist 2020 leicht zurückgegangen. Die Branche hat 2020 rund 21 Mio. Tonnen Papier, Karton und Pappe hergestellt, 3,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Entwicklung der einzelnen Sortengruppen verlief jedoch weiter sehr unterschiedlich. Mit einem Plus von 2,6 Prozent setzten Verpackungspapiere und -karton ihren Wachstumskurs fort, wobei diese mittlerweile 58 Prozent des Produktionsvolumens ausmachen. Die grafischen Papiere verzeichneten mit einem Minus von 15,1 Prozent einen weiteren Rückgang, der sich auch bei der Produktion von Zeitungen und ähnlichem niederschlägt.

Gerade in den vergangenen Jahren kam es zu zahlreichen Übernahmen von mittelständischen Papierfabrikanten durch Großunternehmen. Auch alteingesessene Papierfabriken mussten Insolvenz anmelden. Der Rückgang bei den grafischen Papieren hat sich laut Gravenkamp seit etwa zehn Jahren immer stärker abgezeichnet. Durch den erhöhten Versandhandel wird immer mehr Verpackungspapier benötigt, was auch die Qualität im Altpapier sinken lässt. Das leichte aber voluminöse Verpackungspapier sorgt im Zusammenspiel mit der zunehmenden Digitalisierung für immer weniger Altpapier, was dann wieder dem Recycling-Kreislauf zugeführt werden kann.

„Der grafische Papiermarkt litt zwar unter einer Überkapazität, doch nach den vielen Werksschließungen wurde mittlerweile ein Punkt überschritten, durch den der Markt nicht mehr versorgt werden kann“, erklärt Gravenkamp. Auch in Kaierde leidet man unter dem Rohstoffmangel Altpapier, wobei sich der Altpapierpreis in zwölf Monaten auch noch mehr als verdreifacht hat. Die Menge an Altpapier wird auch zukünftig nicht mehr werden, weshalb die Probleme noch lange anhalten werden“, rechnet Gravenkamp auch weiterhin mit großer Papierknappheit. Der Schritt zurück wäre auch für die Inhaber in Kaierde zwar wünschenswert, doch für sie gibt es künftig ein immer größeres Monopolproblem in der Wirtschaft. Dadurch wird es nach deren Einschätzung zunehmend viele Produkte irgendwann nicht mehr geben oder nur in überschaubarem Rahmen zu höheren Preisen. „Gab es in vielen Bereichen früher noch 50 Wettbewerber, gibt es jetzt oft nur noch drei bis fünf Kontrahenten, wodurch auch der Wettbewerb abnimmt“, malt Gravenkamp eine düstere Zukunftsprognose für viele Bereiche auch außerhalb der Papierproduktion.

 

Foto: Die Kartonfabrik in Kaierde kann sich noch am Markt halten

Foto: Stephan Gravenkamp

 

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