Ausgebrannte Ehrenamtliche hoffen auf Unterstützung

Keine Unterstützung für Gronauer Fahrradwerkstatt aus anderen Kommunen

Gronau (gök). Friedel Beckmann ist derzeit schwer gefrustet. In den letzten sechs Jahren hat er die Fahrradwerkstatt in der Samtgemeinde Leinebergland aufgebaut und kann sich dabei auch auf viele Flüchtlinge verlassen, die sich etwa in Duingen oder Gronau in die Arbeit mit einbringen. In den früheren Jahren kamen oft männliche Flüchtlinge, die handwerklich geschickt waren und später dann erst ihre Familie nachholten. Ziel war dabei immer die Hilfe zur Selbsthilfe. Zwar gab es viele Fahrradspenden, doch Ziel war immer, dass die Flüchtlinge die Fahrräder selber reparieren und dadurch auch wertschätzen.

In den letzten Monaten gab es zwar durch die Ukraine-Krise einen deutlichen Anstieg bei den Flüchtlingen, doch handwerklich begabte Flüchtlinge meldeten sich dabei nicht in der Fahrradwerkstatt. Die meisten Flüchtlinge aus diesen Gebieten waren alleinreisende Frauen mit ihren Kindern, die Fahrräder einfach nicht reparieren können. „Einige Male waren auch Kinder vor Ort, die dann weinten, wenn es kein heiles Fahrrad gab. Das bricht mir dann schon das Herz, doch ohne weitere Hilfe können wir die Arbeit und Unterstützung nicht leisten“, so Beckmann. In der Vergangenheit war die Fahrradwerkstatt dabei auch ein Anlaufpunkt für die Flüchtlinge, um mit anderen ins Gespräch zu kommen. So gab es auch mal Hilfe in anderen Bereichen und man unterstützte sich gegenseitig.

Mit der Unterstützung aus der eigenen Samtgemeinde Leinebergland oder auch vom Landkreis Hildesheim ist Beckmann sehr zufrieden. Der Förderkreis Integration etwa übernimmt zumindest die Fahrtkosten für Beckmann, der alleine für die Fahrradwerkstatt im Monat 2000 Kilometer mit seinem Privatfahrzeug zurücklegt. Bereits seit 2016 kommt der Förderkreis für diese Kosten auf. Ohne Unterstützung könnte sich der Rentner das kaum leisten. Zwischen vier und fünf Stunden investiert Beckmann täglich ehrenamtlich in die Arbeit mit den Flüchtlingen, die mittlerweile teilweise zur Familie geworden sind. Auch Anfragen an den Landkreis werden für Beckmann immer sehr schnell beantwortet, worüber er sich sehr freut. Beckmann erwartet ein ähnliches Engagement natürlich nicht von den Menschen in der Region, aber die sollen im Rahmen der Nachbarschaft einfach mal bei Flüchtlingen vorsprechen, ob die Unterstützung benötigen. Das kostet nach seiner Meinung nicht viel Mühe, macht aber viel Menschlichkeit aus. Nach seiner Erfahrung brauchen die Menschen oft nur einfache Hilfe, die auch nichts kostet. So kann mal ein Behördenbrief erklärt werden oder aber bei Schulproblemen vermittelt werden. Die Sozialarbeiter in der Region sind bei der Vielzahl an Flüchtlingen einfach überfordert, weshalb dort ein deutlich höheres Engagement der Kommunen wichtig wäre. Auf die umliegenden Kommunen ist Beckmann dagegen nicht so gut zu sprechen. Während in anderen Kommunen im Landkreis die Fahrräder nur gegen Geld an Flüchtlinge abgegeben werden, hat sich das Engagement in Gronau rumgesprochen. Integrationsbeauftragte aus anderen Kommunen schicken ihre Flüchtlinge nach Gronau, da sie dort Fahrräder kostenlos bekommen. Auch auf Nachfrage sind die anderen Kommunen aber nicht bereit, der Gronauer Fahrradwerkstatt zu helfen oder diese zu unterstützen. So werden die Fundräder in der Stadt Hildesheim etwa nur an deren Fahrradwerkstätten verteilt, die dann die Fahrräder aber nicht mehr verschenken. Auch bei kostenintensiven Posten wie Ersatzteilen beteiligen sich andere Kommunen nicht. Trotzdem schickt Beckmann keinen Flüchtling in Gronau wieder weg, da die Menschen ja für das Verhalten der Kommunen nichts können.

„Mich stört auch, dass sich mittlerweile alles auf die Ukraine-Hilfe konzentriert. Unsere bisher vorhandenen Flüchtlinge oder das Leid der Menschen in anderen Ländern wird dabei oft vergessen“, so Beckmann. Eine befreundete Familie berichtete ihm etwa, dass Verwandte in Afghanistan zwei Kinder an die Taliban verkaufen mussten, um die nächsten Wochen genügend Essen zu haben. Neben der Aktivität in der Fahrradwerkstatt hilft Beckmann vielen Flüchtlingen auch im normalen Leben. So hat er etwa Flüchtlinge als Ansprechpartner, die für ihn beim Arzt oder anderen Gelegenheiten auch in kurdisch, arabisch oder farsi übersetzen können. „Manche Flüchtlinge rufen mich mehrmals am Tag an, damit ich ihnen helfen kann. Das könnten auch Nachbarn sehr gut leisten“, erklärt Beckmann.

In Gronau sind Beckmann und die ehrenamtlichen Flüchtlinge mittlerweile aufgrund der Überlastung richtig verzweifelt. Von 2016 bis 2019 wurden in vier Jahren 682 Räder verkehrssicher an Menschen übergeben. Seitdem gab es immer eine Steigerung. 2020 etwa wurden 165, 2021 wurden 174 und seit 1. Januar diesen Jahres schon 114 Räder an Flüchtlinge und auch sozial schwach aufgestellte Menschen unabhängig nach Herkunft abgegeben. Der Bedarf an verkehrssicheren und kurzfristig reparierbaren Fahrrädern ist aber enorm, diese sind maximal drei Tage im Lager an der Tweftje in Gronau, wo samstags ab 10 Uhr immer geöffnet ist und auch Fahrradspenden abgegeben werden können. Duingen dagegen ist nur noch eine reine Reparaturwerkstatt, die aber auch gut angenommen wird. Dort ist auch einmal die Woche und bei Anruf geöffnet.

Foto3634+3637: Auch für eine ältere Frau aus Gronau wird in der Fahrradwerkstatt mal eine kurze Hilfestellung gegeben

Foto3638: Das erste Fahrrad, dass 2016 einem weiblichen Flüchtling gegeben wurde. Mittlerweile hat die Frau einen Führerschein und ist mit dem Auto mobil. Das Fahrrad kann jetzt einem anderen Flüchtling helfen

Foto3640: Im Lager stehen noch einige Fahrräder, die repariert werden müssen

Foto3642: Die robuste Torpedo-Schaltung ist zwar nicht sehr gefragt, aber auch sehr unempfindlich im täglichen Betrieb

Foto3643: Das Team der Fahrradwerkstatt hofft auch mehr ehrenamtliche Unterstützung und weitere Fahrradspenden