Gefährdete Sattelschweine bangen um ihr Zuhause

Nutztierarche in Capellenhagen wurde gekündigt

Capellenhagen (gök). Seit 16 Jahren wohnen Heike Haubrok und Heinrich Thielke auf einem Bauernhof in Capellenhagen und leben dort ihren Traum, alleine ist das Paar dabei aber nicht. Neben dem Schlachtermeister und der Landwirtin wohnen auch 125 Sattelschweine auf dem Bauernhof in den Ställen und auf den Freiflächen in der Nutztierarche Swiensgaarn. „Ich habe gerade erst alle Schweine gezählt, schließlich hatte Schecky gerade erst acht Frischlinge bekommen“, so Haubrok im Gespräch.

Das Glück in der „Nutztierarche Swiensgaarn“ ist zur Zeit aber deutlich getrübt, da die Existenz des Paares auf dem Spiel steht. Der ursprüngliche Eigentümer hat den Bauernhof vor wenigen Jahren an Jens-Werner Gülke aus Weenzen verkauft. Der Landwirt stand dann mit Haubrok und Thielke sowie deren Unterstützern der Nutztierarche in Kontakt und signalisierte zunächst die Möglichkeit einer weiteren Nutzung. Im Juni kam es in Gegenwart einer Anwältin und dem Kaierder Pastor Michael Pfau zwischen Haubrok und Thiele auf der einen und Gülke sowie seinem ältesten Sohn auf der anderen Seite zu einer mündlichen Einigung über einen 15jährigen Pachtvertrag, der schließlich auch mit der Hand schon mal besiegelt wurde.

Umso größer war schließlich die Enttäuschung, als Ende September die Kündigung für den Betrieb zu 2024 und auch die Kündigung der Wohnung mit neunmonatiger Frist ins Haus flatterte. „Wir hatten stundenlange Sitzungen mit allen Beteiligten und haben zwei Jahre um den Pachtvertrag gekämpft. Herr Gülke hatte uns noch zugesagt, dass alles kein Problem sein“, kann Haubrok die Welt nicht mehr verstehen.

Bei Familie Gülke hat sich auf Nachfrage die Sachlage aber geändert. „Mein Sohn möchte den Hof jetzt selber nutzen und sich da verwirklichen“, erklärte Jens-Werner Gülke auf Nachfrage. Zudem verlief für ihn die Verpachtung in den zurückliegenden zwei Jahren nicht reibungslos, weshalb er an einer längerfristigen Zusammenarbeit nicht mehr interessiert sei. „Ich finde das Engagement für die Tiere toll und hoffe, dass die Arbeit auf einem anderen Hof fortgesetzt werden kann“, erklärte Gülke schließlich.

Um auf das Problem der Kündigung aufmerksam zu machen, trafen sich jetzt weit über 50 Unterstützer auf dem Bauernhof und brachten dabei sogar Plakate mit. „Wir stünden nicht hier, wenn der Bauer aus unserer Sicht den Hof brauchen würde, wirtschaftliche Not sehen wir aber nicht“, so die Unterstützerin Diana Kohrs aus Kaierde. Kohrs bemängelt, dass Haubrok und Thielke immer wieder hingehalten wurden.

Von dem Rotbunten Husumer Schwein gibt es weltweit nur noch ungefähr 130 Zuchttiere. Gegenwärtig stehen auf dem Bauernhof in Capellenhagen noch drei Zuchteber aus drei Linien sowie elf Zuchtsauen verschiedener Linien, was laut dem Hybridschweinezuchtverband Nord/Ost der größte Zuchtbestand in einem Betrieb weltweit für diese Rasse darstellt. Im Jahr 2014 wurde der Verein für die Erhaltungs- und Herdbuchzucht des Sattelschweins gegründet, dessen Vorsitzende Heike Haubrok ist. Etliche neue Züchter konnten seit der Gründung hinzugewonnen werden, wodurch der Bestand verbessert werden konnte. Grundlage waren dabei nicht selten Zuchttiere aus dem Bestand der Nutztierarche. In Capellenhagen bleiben die Ferkel acht Wochen bei dem Muttertier, während das in konventionellen Betrieben nur vier Wochen der Fall ist. Die Betreiber der Nutztierarche passen auch auf, dass die verschiedenen Zuchtlinien und Genpoole erhalten bleiben. Einer der drei Zuchteber ist Odo, der bei der Geburt mit 500 Gramm Gewicht nur geringe Überlebenschancen hatte. Das Tier wurde mit der Flasche im Haus großgezogen, da die Mutter das Tier nicht annahm. Mittlerweile wiegt der stolze vierjährige Eber 400 Kilogramm und sorgte schon für einige Nachkommen. Das Rote Husumer ist in der konventionellen Zucht nicht sehr beliebt, da es nur langsam wächst. Während die Schweine in Capellenhagen für die Verwertung erst nach 15 oder 16 Monaten geschlachtet werden, wachsen Hybridschweine in Maststationen nur sechs Monate bis zur Schlachtung heran.

Für eine Nachfolge in der Nutztierarche hatten Haubrok und Thielke eigentlich auch schon gesorgt. Mit Tim Himmich und Fredy Moreno würden Nachfolger bereitstehen, die die wertvolle Arbeit der in die Jahre gekommenen Landwirte fortsetzen würden. Dank der Unterstützung befreundeter Landwirte ist ein richtiger Kreislauf entstanden, wo das Futter aus ökologischem Anbau angeliefert wird und dafür auch der Schweinemist aus Capellenhagen wieder als Dünger dient.

Michael Pfau richtete seine Worte an die Unterstützer vor Ort und hofft, dass Jens-Werner Gülke seine Entscheidung nochmal überdenkt und zu seinem Wort steht. Dass in der modernen Landwirtschaft laut Pfau wachse oder weiche gilt, kann für ihn nicht richtig sein. „Ich fordere den Besitzer auf, hier Menschlichkeit zu zeigen. Vielleicht ist die Kündigung juristisch in Ordnung, menschlich aber verwerflich. Ich dachte immer, dass ein Wort ein Wort ist“, so Pfau. Für Pfau sind Schweine so empathisch, dass Menschen sich daran ein Beispiel nehmen könnten. „Hätten Menschen die Empathie von Schweinen, wäre die Welt viel menschlicher“, ist sich Pfau sicher.

Foto1237+1238: Seit vielen Jahren gibt es in Capellenhagen die Nutztierarche Swiensgaarn

Foto1241+1247: Regelmäßig gibt es auf dem Hof Nachwuchs der bedrohten Schweinerasse

Foto1248: Im Freigehege fühlen sich die Schweine sichtlich wohl

Foto1253: Eber Odo hat mittlerweile 400 Kilogramm, obwohl er bei der Geburt mit der Flasche großgezogen werden musste

Foto1254+1275: Die Unterstützer in Capellenhagen hatten sogar Plakate gefertigt

Foto1262+1265: Michael Pfau hielt eine emotionale Rede bei der Aktion

Foto1266+1273+1274: Zahlreiche Unterstützer hatten sich auf dem Hof eingefunden

Foto1272: Diana Kohrs und Heike Haubrok hoffen, dass der Hof in Capellenhagen noch eine Zukunft hat

Foto1279: Am Verkaufsstand erhielt Heinrich Thielke auch einige Spenden für die Zukunft des Hofes