Messewirtschaft nimmt wieder Fahrt auf

Region hat zusammengehalten und Überleben ermöglicht

Lauenstein (gök). Armin Schütte verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung im Messe- und Ladenbau. Zusammen mit dem mit ihm nicht verwandten oder verschwägerten Namensvetter Felix Schütte gründete Armin Schütte 2015 die Firma Schütte Design, die 2016 in den OKAL-Industrie-Park nach Lauenstein zog. Der vorherige Arbeitgeber von Schütte ging in den Ruhestand, weshalb er sich dann selbstständig machte und auch seinen Berufskollegen Felix Schütte für ein Startup begeistern konnte.

Die beiden Geschäftsführer schafften es dann, die Firma in Lauenstein zu etablieren und freuten sich über ein gesundes Wachstum ihrer Firma. Der Industriepark, wo mittlerweile 40 Firmen ansässig sind, bot dazu laut Schütte die besten Bedingungen. So erweiterte man sich alleine bei den Lagerflächen von anfangs 80 auf mittlerweile knapp 1000 Quadratmeter. Im Frühjahr wird man aus dem dritten Obergeschoss des ehemaligen OKAL-Verwaltungsgebäudes in das zweite Obergeschoss ziehen und dort größere zusammenhängende Räumlichkeiten belegen.

Das man aber überhaupt über eine Firmenerweiterung nachdenken kann, hat die junge Firma nur dem Zusammenhalt in der Region zu verdanken. Die Pandemie und damit verbundenen Lockdowns erwischte gerade die Messewirtschaft in Deutschland und der ganzen Welt hart. Über einen langen Zeitraum fielen fast alle Messen aus und einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland lag brach. „Wir hatten innerhalb von wenigen Tagen keine Einnahmen mehr. Anfangs dachten wir noch, dass es sich nur um einen kurzen Zeitraum ohne Messen und Einnahmen handelt. Doch das war dann ein Trugschluss, was für die ganze Messewirtschaft dramatische Entwicklungen brachte. Mit dem Ausmaß der Pandemie haben wir nie gerechnet. Wir dachten alle, dass das im Herbst wieder zu Ende ist“, so Schütte im Gespräch.

Vor der Pandemie hatte die Lauensteiner Firma jedes Jahr die Erwartungen übertroffen, wodurch sich vor allem zu der Partnerbank ein enormes Vertrauensverhältnis aufbaute. Über die Jahre wurde immer alles Neue vom Ertrag erwirtschaftet und nie Geld aufgenommen, worauf die Firmeninhaber sehr stolz sind. Froh ist Schütte, dass die früheren Mitarbeiter bis auf einen aus gesundheitlichen Gründen nach Kurzarbeit alle mittlerweile wieder im Betrieb arbeiten. Der Politik macht Schütte für die Entscheidungen keine Vorwürfe, da diese ja auch keine Erfahrungen hatte und die Entwicklung nicht absehen konnte. In Bedrängnis geriet Schütte persönlich aber durch bürokratische Hindernisse. Anders als sein Mitinhaber war Armin Schütte in der Familie Alleinverdiener und die fehlenden Einnahmen sorgten schnell für Probleme.

Im Laufe der Pandemie bekam Schütte zwar wie viele andere Finanzhilfen, doch die waren nur für die Betriebsausgaben gedacht. Nachdem auch seine für die Altersversorgung angedachten Rücklagen aufgebraucht waren, beantragte er als Selbstständiger Grundsicherung. Das zuständige Jobcenter in Hameln versagte ihm aber anders als von der Politik verbreitet die Grundsicherung, obwohl er seine kompletten Vermögensverhältnisse offenlegte. Gegen diese Entscheidung geht Schütte mittlerweile gerichtlich vor, was ihm aber bisher auch nicht geholfen hat. Der Betrieb hätte ohne die laut Schütte tolle Unterstützung der Arbeitsagentur bei der Beantragung der Kurzarbeitergelder, der Unterstützung vom Landkreis oder der Volksbank im Wesertal die Pandemie nicht überlebt. Auch OKAL als Vermieter hat sich sehr entgegenkommend gezeigt und so die Zukunft des Betriebes mit gesichert.

Laut der AUMA – dem Verband der deutschen Messewirtschaft – sind 2023 rund 340 Messen in ganz Deutschland geplant. Damit sollen knapp ein Viertel mehr Messen stattfinden als 2022 möglich waren. Laut ersten Hochrechnungen sind 65 bis 70 Prozent der Messeteilnehmer zurück. Wie wichtig die Messewirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist, zeigen die von der AUMA veröffentlichen Zahlen. Jedes Jahr geben Aussteller und Besucher für ihr Messe-Engagement in Deutschland insgesamt 14,5 Milliarden Euro aus. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionseffekte erreichen 28 Milliarden Euro. Die deutschen Messeveranstalter erwirtschaften jährlich einen Umsatz von knapp 4 Milliarden Euro. Von den zehn umsatzstärksten Messegesellschaften der Welt haben fünf ihren Sitz in Deutschland. Insgesamt werden durch die Organisation von Messen rund 230 000 Arbeitsplätze gesichert. Durch die ausstellenden Unternehmen sind weitere 100 000 Arbeitsplätze direkt von Messen abhängig.

Mittlerweile sind auch die Auftragsbücher bei Schütte Design in Lauenstein wieder voll. Das hängt aber auch damit zusammen, dass viele Mitarbeiter der Messewirtschaft den Rücken gekehrt haben und in anderen Bereichen arbeiten. „Die Branche ist zur Hälfte tot und funktioniert nur noch mit Ach und Krach“, so Schütte ernüchtert.

Auch wenn Schütte aus seinem Kollegenkreis von vielen Soloselbstständigen weiß, die nicht von der versprochenen Grundsicherung profitieren konnten, legte das Jobcenter Hameln jetzt auf Anfrage andere Zahlen vor. Demnach schätzt Bereichsleiter Holger Reineke, dass etwa 220 Selbstständige im Landkreis 2020 corona-bedingt Arbeitslosengeld II erhalten haben. „Dabei konnten schnell und unproblematisch Leistungen bewilligt werden. Nur wenige einzelne Anträge wurden abgelehnt. Zum Jahr 2022 ist die Zahl der Selbständigen mit der Zahl der Leistungsberechtigten mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wieder identisch auf Vor-Corona-Niveau“, so Reineke.

Am Ende hat sich das Durchhalten der Lauensteiner Firma bezahlt gemacht. Schneller als die meisten Mitbewerber konnte die Firma Schütte Design aufgrund der schlanken Strukturen auf die neue Marktlage reagieren und umgehend durchstarten, während nicht wenige Mitbewerber noch mit der Neuaufstellung Ihres Geschäftes beschäftigt waren. Während vor Corona üblicherweise drei bis vier Monate Projektvorlauf zur Verfügung standen, waren es 2022 wegen der allgemeinen Verunsicherung bestenfalls noch sieben Wochen.„Am Ende des annähernd zweijährigen Tiefschlafes ist ab Frühling 2022 kurzfristig ein freigewordenes Stück vom Auftragskuchen neu verteilt worden, von dem sich unsere Firma einen Teil an Aufträgen gesichert hat. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, erklärt Felix Schütte hier mit einem Augenzwinkern. Was das Jahr 2023 mit den Konsequenzen aus Corona und den aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Umwälzungen Neues für die gebeutelte Ausstellungsbranche mitbringt, ist für die ganze Branche laut Felix Schütte völlig unvorhersehbar. Bei Schütte Design blickt man aber vorsichtig optimistisch auf die Zukunft.

Foto: Armin Schütte freut sich, dass die Auftragsbücher jetzt wieder voll sind

Foto: Mittlerweile nutzt die Firma in dem Lauensteiner Industriepark Lagermöglichkeiten von 1000 Quadratmetern