Gemeinsam Vorurteile bekämpfen

Video soll Ex-Knackis helfen

Coppengrave/Hildesheim (gök). Die sechs Studentinnen waren überrascht. Dass das Projekt und vor allem der Kontakt zu ehemaligen Strafgefangenen die jungen Uni-Angehörigen so bewegt, hatten sie nicht erwartet. Die Studentinnen der Uni Hildesheim im Bereich der Sozial- und Organisationspädagogik absolvierten im dritten Semester ein Projektsemester, dass sie selber gestalten konnten. Aufgrund des Fachbereiches lagen die Themen alle im sozialen Bereich, wobei Merle Schmalz, Lea Rodewald, Malin Julia Schickan, Dorothea Vogel, Louisa Nottrott und Dunja Müller vor allem die Straffälligenhilfe sehr interessierte.

„Das Thema wurde bisher im Studiengang auch nur wenig behandelt, weshalb wir alle das sofort interessant fanden“, erklärte Merle Schmalz aus Schulenburg im Gespräch. In einem nachhaltigen Projekt beleuchteten die Studentinnen das bisher nicht im Fokus stehende Thema, wie andere Menschen mit Straffälligen umgehen. „Jeder hat seine Vorurteile und mit denen haben wir uns beschäftigt“, so Lea Rodewald zu dem Projekt, die im beschaulichen Coppengrave im Flecken Duingen wohnt.

Unvoreingenommen wollten sich die Studentinnen mit Straffälligen beschäftigen und die Menschen kennenlernen, die nach Einschätzung von Resozialisierungssexperten wie etwa von Resohelp in Hameln manchmal im Leben nur eine falsche Abbiegung genommen haben. Während die Menschen im Gefängnis außer der Einsamkeit nur wenig Schwierigkeiten auszuhalten haben, sorgen nach dem Gefängnisaufenthalt vor allem Vorurteile für mehr Schwierigkeiten. Das kann unter Umständen dann auch dazu führen, dass die Menschen erneut straffällig werden. „Wir wollten die Gesellschaft daher darauf aufmerksam machen, wie schwierig es sein kann, im Leben wieder Fuß zu fassen. Ex-Häftlinge werden von der Gesellschaft oft abgestempelt und meist nur die Haftstrafe beim Blick auf den Menschen gesehen“, bemängelt Lea Rodewald.

Aufgrund der Pandemie und auch Personalmangel konnte die Studenten-Gruppe allerdings nicht in eine Justizvollzugsanstalt gehen und dort mit Gefangenen sprechen. Stattdessen nahmen sie mit der Straffälligenhilfe Resohelp in Hameln Kontakt auf, wo man als Kooperationspartner angesehen wurde. Resohelp arbeitet als Teil der Caritas tagtäglich mit Straffälligen und hilft beim Wiedereinstieg ins Leben. Die Kontaktaufnahme zu Straffälligen gestaltete sich aber schwierig, da eine Teilnahme an einem Workshop nicht besonders gefragt war. Verstärkt wurde das mangelnde Interesse durch den Umstand, dass als Endprojekt des Semesters auch ein Film entstehen sollte. Am Ende fand sich zumindest ein ehemaliger Strafgefangener für ein vierstündiges Gespräch. Auch die Partnerin eines Häftlings konnte interviewt werden, die auch die Probleme für die Familien bei solchen Fällen aufzeigen konnte. „Dass wir so unterschiedliche Sichtweisen bekommen, war zunächst gar nicht der Plan“, gesteht Rodewald. Auch andere Personen wie die Frau und Kinder eines Häftlings leiden unter Vorurteilen, was den Studentinnen zunächst gar nicht bewusst war.

Der Häftling berichtete zwar offen und dankbar über seine Ausbildung zum Koch hinter Gittern, doch den Respekt für seine Arbeit musste er sich danach erst verdienen. Schon in Vorstellungsgesprächen stieß er auf Vorurteile, ehe er in einem Betrieb eine Chance bekam und auch nutzen konnte. Für die Frau des Hälftlings brach mit dem Haftantritt so einiges weg. Nur mit Hilfe ihrer Familie konnten die Probleme aufgefangen werden. Eine Selbsthilfegruppe etwa hätte ihr aus ihrer Sicht weitergeholfen.

„Ich war vorher sehr aufgeregt und hatte eine gewisse Vorfreude auf die Menschen. Unser Gehirn möchte uns mit Vorurteilen nur schützen, weshalb ich das alles auch sehr spannend fand. Bei den Antworten in den Gesprächen war ich dann teilweise sehr überrascht. Das ganze Projekt hat mich auch bestärkt, später in dem Bereich nach dem Studium eventuell zur arbeiten“, so Merle Schmalz. Lea Rodewald zeigte sich auch erfreut, dass der Häftling aus dem Gespräch in der Haftzeit auch etwas gelernt und für sein folgendes Leben mitgenommen hat. Dieser hat jetzt ein geregeltes Berufsleben und sich einen Familien- und Freundeskreis aufgebaut.

Diese Erfahrungen haben die Studentinnen jetzt in einen fünfzehnminütigen Informationsfilm einfließen lassen, der über die sozialen Medien durch die Straffälligenhilfe geteilt und unter https://youtu.be/a_-cBmLYPbY auch im Internet veröffentlicht wurde. „Wir würden uns einfach weniger Vorurteile und auch mehr Realität im TV wünschen, wo die Vorstellungen über Gefängnishaft teilweise sehr unrealistisch dargestellt werden. Auch weitere Ideen wie etwa Kinderbücher zur besseren Erklärung für Kinder unter den Angehörigen wären Ideen, wie man dem Thema mehr Aufmerksamkeit geben kann“, sind sich die Studentinnen einig. Durch das ganze Projekt haben die Studentinnen laut Lea Rodewald einen super Einblick in das ganze Berufsfeld erhalten, wo auch Augen für Probleme geöffnet wurden. „Man muss da keine Angst haben und kann dort auch als Frau gut tätig werden“, sieht Rodewald da für ihren Studienzweig auch interessante berufliche Möglichkeiten.

Neben der Jugendanstalt Hameln, wo sich Resohelp vor allem einbringt, gibt es in Deutschland weitere 171 Justizvollzugsanstalten, wo Mitte 2022 fast 57 000 Strafgefangene ihre Strafen absaßen. Seit 2007 sind die Zahlen der Strafgefangenen in den Anstalten zwar rückläufig, doch immer noch sind die Anstalten zu etwa 80 Prozent belegt. Unter www.caritashaus-hameln.de gibt es weitere Infos zur Hilfe für Strafgefangene und deren Resozialisierung.

Foto Resohelp: Adriana Kunz (links im Bild) von Resohelp Hameln und die Geschäftsführerin des Caritasverbandes im Weserbergland Heike Vierks (rechts im Bild) helfen Ex-Häftlingen bei der Resozialisierung und haben für das Projekt eng mit den Studentinnen zusammengearbeitet

Foto2430: Sieben Studentinnen der Uni Hildesheim beteiligten sich an dem Projektsemester

Foto5051: Lea Rodewald und Merle Schmalz erklärten das Projekt

Foto8834: Resohelp in Hameln hilft ehemaligen Strafgefangenen bei der Resozialisierung