Dramatische Ereignisse vor 68 Jahren

Coppengrave litt unter Hochwasser

Coppengrave (gök). Immer wieder gibt es nationale und internationale Berichte von Unwettern, die für schockierende Nachrichten sorgen. Oftmals wird vergessen, dass auch die hiesige Region schon Opfer schwerer Unwetter war. 1955 gab es an Ith und Hils auch ein schweres Unwetter, dass im Bereich der Wallenser Schmiede sogar für ein Todesopfer sorgte, als das Wasser der Saale dort plötzlich in das Haus eindrang und ein 32jähriger Schmiedemeister ertrank. Mit Wilfried Niemeyer gab es auch einen Augenzeugen für das Unwetter von damals, wo die Erinnerungen immer wieder bei ähnlichen Geschehnissen hochkommen. Wilfried Niemeyer lebt als Rentner und Einwohner von Norderstedt vor den Toren und gab seine Erinnerungen an das Unwetter von damals preis. Wilfried Niemeyer lebte vor 68 Jahren mit seiner Familie in Coppengrave und war als Schuljunge Augenzeuge der bewegenden Stunden. Vor dem Elternhaus von Wilfried Niemeyer verlief eine Brücke über die Hille. Der Bach selbst hatte normalerweise eine Wassertiefe von 20 bis 30 Zentimetern und verlief etwa 170 Zentimeter tiefer als die Grundstücks-Ebene von Niemeyers Haus. Doch an diesem Tag vor 68 Jahren sollte alles anders kommen:

„Ich war Augenzeuge und Betroffener der Katastrophe, die sich zehn Tage vor meinem 14. Geburtstag an einem späten Sonntagnachmittag ereignete. Ich kam gerade vom Baden aus dem provisorischen Freibad in Duingen nach Hause zu meinem Elternhaus in Coppengrave, was dort direkt am Bachlauf der Hille stand. Es entlud sich ein starkes Gewitter mit sintflutartigem Regen. Der Bachlauf konnte die Wassermassen, die vom Hils und Ith sowie von Duingen herunterkamen bei weitem nicht aufnehmen. Das Wasser stieg auf rund anderthalb Meter über der Straßenbrücke und wurde ein reißender Strom. Der gesamte Ortskern von Coppengrave stand dadurch auch mit reißender Strömung rund anderthalb Meter unter Wasser. Wir hatten das Glück, dass der Keller unseres Hauses entsprechend erhöht war. Dadurch war zwar der Keller bis unter die Decke voll, aber es schwappten nur einige Wellen in unseren Hausflur. Allerdings mussten mein Vater und ich sowohl das Motorrad meines Vaters sowie unser rund 100 Kilogramm schweres Schwein aus dem Stallanbau retten und über sieben Stufen in die Wohnküche meiner Oma schleppen.

Direkt gegenüber von unserem Haus befand sich der Konsum, das Lebensmittelgeschäft des Dorfes. Die Betreiber-Familie Schönemann stand mit ihrem Besuch auf der Dachterrasse und beobachtete das Flutgeschehen. Dabei übersahen sie, dass der PKW des Besuchs, ein nagelneuer DKW, der hinten auf dem Hof stand, anfing aufzuschwimmen. Dort gab es zunächst keine starke Strömung, da Stall und Scheune des Bauern Beinling davorstand. Wir haben rüber gerufen, aber aufgrund des unheimlichen Geräuschpegels der vorbeirauschenden Flut haben sie das nicht verstanden. Erst nachdem wir immer wieder in die Richtung gezeigt haben, sind sie darauf aufmerksam geworden. Inzwischen waren aber auch schon einige Feuerwehrleute am dort ansteigenden Hang hinter dem Haus eingetroffen. Sie haben zwei Seile an Stoßstange und Anhängekupplung des Wagens befestigt und die anderen Enden an einem großen Apfelbaum am Hang gesichert.

Mit der gelbbraunen Flut wurden auch Baumstämme und Meterholz aus dem Wald mitgerissen und beschädigten die seitlichen Mauern der gegenüber liegenden Dorfschmiede, so dass diese einstürzte und zum Teil weggespült wurde. Die Familie des Schmieds namens Storm rettete sich in den ersten Stock des angrenzenden Wohnhauses und bangte dort um ihr Leben, da die untere Etage von den Fluten in anderthalb Meter Höhe durchströmt wurde. Aus dem uns gegenüber befindlichen Bauernhof Beinling wurden dann sogar die Kühe von der Flut aus dem Stall gespült und mitgerissen. Keiner von uns konnte helfen. Die Kadaver fanden wir erst am nächsten Tag unterhalb des Dorfes in den Weidezäunen.

Für mich hatte die Katastrophe noch eine Folge. Da die Brücke an der Hohen Warte mit weggerissen wurde, konnte ich die Tage danach nicht wie üblich mit dem Fahrrad zur Realschule nach Delligsen fahren. Erst einige Tage später haben Pioniere der damaligen britischen Armee eine provisorische Notbrücke errichtet. Wir haben zu Hause lange gebraucht, um den vielen Schlamm aus dem Keller zu entfernen. Auch waren viele Vorräte vernichtet und unsere Gartenlaube war so schwer beschädigt, dass wir sie später abreißen mussten“, so Niemeyer.

Die zerstörte Brücke in Hohe Warte war für Familie Niemeyer Glück im Unglück. Denn durch das wegspülen der Brücke sackte das Wasser um etwa 30 Zentimeter ab, um anschließend nur langsam wieder anzusteigen. Durch diesen Umstand wurde die Wohnung der Familie Niemeyer vom Wasser verschont.

 

Foto Haus: Vor dem Elternhaus von Wilfried Niemeyer in Coppengrave ist die Brücke über die Hille zu sehen