Radsport mit Herz, Schweiß und Geschichte
RTF Leinebergland begeistert über Region hinaus mit Teilnehmerrekord
Gronau/Leine- und Weserbergland (gök). Mit 490 Teilnehmenden, vier landschaftlich reizvollen Strecken und Temperaturen durch vier Landkreise, die eher an Hochsommer erinnerten als an einen Frühlingstag, ging die vierte Auflage der Radtourenfahrt (RTF) „Leinebergland“ mit einem Rekordergebnis erfolgreich über die Bühne. Doch hinter der sportlichen Fassade verbarg sich wie immer mehr: Geschichten von Enthusiasmus, Gemeinschaft und jahrzehntelanger Leidenschaft für den Radsport.
Von Stade bis in die Dolomiten
Günter Seelmann aus Bremen etwa ist das beste Beispiel dafür, dass Radsport kein Alter kennt. Mit 82 Jahren fuhr er die anspruchsvollste Strecke über 150 Kilometer – zur Vorbereitung auf eine Tour durch die Dolomiten. Die RTF Leinebergland war seine erste Etappe, weitere Trainingsfahrten durch den Harz und Berchtesgaden sollen folgen, ehe es dieses Jahr nach Italien in die Dolomiten geht. Sein persönliches Motto ist dabei einfach: „Solange es geht, fahre ich Rad. Es hält jung.“ Auch Knut Kuhlmann aus Stade nahm eine längere Anfahrt in Kauf und ließ sich die Veranstaltung nicht entgehen. Um 6 Uhr morgens machte er sich auf den Weg, um nach zehnjähriger Rad-Pause wieder an einem Start einer RTF zu stehen. Die Leinebergland-Tour war nun seine erste RTF, nachdem er seinen Lieblingssport wieder aufgenommen hat.
Jonas Drestomark aus Hannover und Dominik Brunke aus Wunstorf wiederum sind an diesem Tag überzeugte Genussfahrer. Sie nahmen die 150-Kilometer-Strecke „ganz entspannt in sieben Stunden“ unter die Räder. Für Brunke begann die Liebe zum Rad schon im Mutterleib – „meine Mutter ist in der Schwangerschaft viel gefahren“, erklärt er lachend. Drestomark stieg nach seiner Kommunion erstmals bewusst aufs Mountainbike und kam von dort später zum jetzigen Gravelbike, dass er auch im Alltag viel bewegt. Beide schätzen an der RTF die tolle Verpflegung und das gemeinsame Erlebnis.
Hinter der gelungenen Veranstaltung steht eine starke Mannschaft, ohne die es laut Spartenleiter Manuel Kelle von der RSG Gronau nicht geht. Über 30 Helfer sorgten dafür, dass die Radsportler gut versorgt, sicher geführt und herzlich empfangen wurden. Einer von ihnen ist der ehemalige Spartenleiter Edgar „Ete“ Korn, der traditionell den „Besenwagen“ fährt und alle Kontrollpunkte abklappert. „Erst wenn ich durch bin, kann der Verpflegungspunkt abgebaut werden“, sagt das Urgestein der RSG Gronau. Helfer wie Hagen Oltmann reisten sogar aus der Nähe von Hamburg an – ein Zeichen für den Zusammenhalt innerhalb der Radsport-Community. Ebenso aktiv: Torben Frohns, der auch beim DDMC Solling und dem Hils-Bike-Marathon mitwirkt. „Der Austausch unter den Vereinen funktioniert hervorragend“, ist Frohns angetan vom Zusammenhalt unter den Radbegeisterten.
Die Fäden laufen bei Manuel Kelle zusammen. Als Organisator der RTF ist er Ansprechpartner, Koordinator und Problemlöser in einem. Die diesjährige Rekordbeteiligung erfüllt ihn mit Stolz, doch sie bringt auch Stress: „Wenn dann kurz vor Beginn plötzlich das alkoholfreie Bier fehlt, weil der Lieferant nicht liefert – das ist der Stress, den du nicht brauchst.“ Kelle weiß, wovon er spricht. Über Jahre hat er zusammen mit dem Team wertvolle Erfahrungen gesammelt und auch aus Rückschlägen gelernt. „Einmal etwa hatten wir deutlich zu viele Bananen und haben sie dann am nächsten Tag dem Kindergarten gegeben. Am letzten Verpflegungspunkt haben sich die Fahrer letztes Mal etwas Salziges gewünscht, worauf wir jetzt entsprechend reagiert haben“, erklärt er auch die Feinheiten bei der Orga. Trotz aller Anstrengungen schwärmt er vom familiären Charakter der RTF: „Das ist eine große Radsportfamilie, man kennt sich.“ 250 Voranmeldungen kamen über eine eigens genutzte App, für 500 Leute wurde eingekauft – nicht ohne Risiko bei sommerlichem Feiertagswetter. „Wir wussten ja nicht, wie viele wirklich teilnehmen“, so Kelle weiter. 350 von insgesamt 490 Teilnehmenden wagten sich auf die beiden langen, am Ende nicht ausgeschilderten Strecken. Für die Nichtausschilderung auf der langen Strecke hatte man sich aber bewusst entschieden, da nach Erfahrung der Organisatoren sowieso alle für solche Touren ein Navi dabeihaben und auf die Karte der RSG Gronau zurückgreifen konnten.
Seine eigene Begeisterung für den Radsport begann bei Kelle früh: Mit 16 war Kelle wie viele andere in Deutschland Fan von Jan Ullrich. Das erste Rennrad finanzierte die Oma per Sparvertrag, der eigentlich für den Führerschein vorgesehen war. Rund 25 Jahre später steht er der RSG Gronau vor, die seit Jahren eine erfreuliche Mitgliederentwicklung verzeichnet. Die RTF Leinebergland ist Nachfolgerin der traditionsreichen RTF „Roter Fuchs“, die von 1991 bis 2019 vom TSV Giesen organisiert wurde. Als die Sparte schrumpfte und 2020 die geplante Abschiedstour pandemiebedingt abgesagt werden musste, sprang der TSV Gronau ein und rettete das Format. Die Veranstaltung ist Teil des Breitensportprogramms des Bundes Deutscher Radfahrer: kein Wettkampf, keine Zeitnahme, nur die Freude an der Bewegung zählt.
Foto0683: Günter Seelmann ist für die RTF extra aus Bremen angereist
Foto0686: Jonas Drestomark und Dominik Brunke freuen sich vor dem Start auf die lange Rundfahrt
Foto0694: 490 Fahrer sind in Gronau beim Start dabei
Foto0705: An den Verpflegungspunkten ist die Stimmung top
Foto0711: in kleinen Gruppen fahren die Radfahrer durch das Leine- und Weserbergland
Foto2575: Gute Laune beim Start in Gronau
Foto2641: Vielfältige Verpflegung an den 5 Checkpoints
Foto2737: Die Überquerung des Ith ist eine sportliche Herausforderung