Unklare Zukunft für Pflegekind

Pflegeeltern aus Salzhemmendorf fühlen sich allein gelassen

Salzhemmendorf (gök). Seit mehr als vier Jahren lebt der kleine Nils (richtiger Name bekannt, von Redaktion geändert) bei Thomas und Dagmar Otte in Salzhemmendorf. Eigentlich sollte die Unterbringung nur eine kurzfristige Bereitschaftspflege sein. Doch aus Wochen wurden Monate, aus Monaten Jahre. Nun steht das Ehepaar vor einer ungewissen Zukunft. Das Jugendamt plant offenbar eine neue Unterbringung des Kindes – doch wohin genau, ist nach Angaben der Pflegeeltern unklar. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Dagmar Otte. „Uns wurde zuerst nichts mitgeteilt, obwohl wir seit Jahren für Nils sorgen.“ Der Junge kam im Alter von drei Monaten zu den Ottes. Beide haben bereits mehrere Pflegekinder betreut und zwei Adoptivkinder großgezogen. „Wir gehen in der Arbeit mit Kindern auf und wollten das bis zur Rente weitermachen“, ergänzt Thomas Otte.

Laut Unterlagen des Jugendamts sollte Nils ursprünglich auf den Kinderhof Fermke bei Dörentrup wechseln. Doch dort werden nach dem offiziellen Konzept erst Kinder ab sieben Jahren aufgenommen. „Das passt nicht zu Nils, er ist erst vier“, kritisiert Dagmar Otte. Inzwischen soll der Plan wohl auch aufgrund der Hinweise von Familie Otte hinsichtlich des Alters wieder verworfen sein. Stattdessen sei nun laut mündlicher Aussagen des Jugendamtes bei einem gerade stattgefundenen Treffen von einer Einrichtung „hinter Dortmund“ die Rede – nähere Informationen lägen der Familie aber nicht vor. Die Ottes betonen, dass sie das Kind nicht dauerhaft behalten könnten, es aber „an einen vernünftigen Ort“ abgeben wollen. Sie kritisieren, dass Nils bislang nicht umfassend medizinisch oder psychologisch untersucht worden sei, obwohl sie dies mehrfach angeregt hätten.

Lange Funkstille vom Jugendamt

Besonders belastend ist für das Paar nach eigenen Angaben der fehlende Kontakt zu den zuständigen Fachkräften. „Der Sachbearbeiter war das letzte Mal vor zweieinhalb Jahren bei uns“, sagt Thomas Otte. Schriftliche Anfragen blieben unbeantwortet. Auch eine vorgeschriebene Bindungsüberprüfung zwischen Pflegeeltern und Kind habe nie stattgefunden. Das Jugendamt verweist auf Anfrage dieser Zeitung auf den Datenschutz und betont, man könne sich nicht zu Einzelfällen äußern. Grundsätzlich aber erfolgten Unterbringungen und Perspektivklärungen auf Grundlage fachlicher Einschätzungen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Landkreises Hameln-Pyrmont. Das Kindeswohl stehe „uneingeschränkt im Zentrum aller Entscheidungen“. In Pflegeverhältnissen erfolgten regelmäßig Hausbesuche, deren Häufigkeit sich nach dem Einzelfall richte. Aktuell leben nach Angaben des Landkreises 146 Kinder in Pflegefamilien, davon elf in Bereitschaftspflege. Eine solche Bereitschaftspflege sei „auf eine kurzfristige Übergangssituation ausgelegt – typischerweise für wenige Wochen bis Monate“. Komplexe Fälle könnten jedoch zu längeren Verweildauern führen.

Zusätzlich belastet wird die Situation durch Konflikte mit der leiblichen Mutter des Kindes. Diese habe nach Einschätzung und Wissen der Ottes psychische Probleme und mehrere Suizidversuche hinter sich. Besuche fänden nur unregelmäßig statt. „Uns wird vorgeworfen, den Kontakt zu verhindern, aber tatsächlich hat die Kindesmutter viele Termine selbst abgesagt“, sagt Dagmar Otte. Die Ottes haben deshalb beim Familiengericht einen Verbleibensantrag gestellt – und verloren. Auch vor dem Oberlandesgericht scheiterten sie, eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht läuft noch. Bisher haben sie nach eigenen Angaben rund 8 000 Euro aus Privatmitteln in Anwalts- und Gerichtskosten investiert.

„Wir sind mittlerweile am Limit“, gesteht Dagmar Otte. „Hätte ich damals gewusst, was auf uns zukommt, hätte ich die Pflege vielleicht nicht übernommen. Aber Nils ist uns ans Herz gewachsen.“ Der Druck sei enorm: schlaflose Nächte, Ungewissheit über die Zukunft des Kindes und das Gefühl, nicht gehört zu werden. Die Pflegeeltern hoffen nun auf eine Entscheidung, die aus ihrer Sicht „endlich das Kindeswohl in den Mittelpunkt“ stellt. Bis dahin bleibt ihnen nur abzuwarten – und Nils so viel Normalität wie möglich zu geben. „Es geht um ein kleines Kind, das sein Leben noch vor sich hat“, sagt Thomas Otte. „Wir wollen nur, dass er eine gute Zukunft hat. Doch bei jedem Gang an den Briefkasten kommt in uns die Angst hoch, dass es eine Entscheidung gibt, die uns alle treffen wird!“

Foto: Thomas und Dagmar Otte hoffen sind für die Zukunft ihres Pflegekinds ans Limit gegangen